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Interview: Thomas Lohninger

Thomas Lohinger wurde vom Elevate Festival Team zu den grundlegenden Fragestellungen des Festivalthemas befragt. Er nimmt am Festival bei einigen Veranstaltungen teil - unter anderem mit Michael Bauer gemeinsam zur Einführung is das Thema am Donnerstag 24.10. ab 12:00 Uhr mittags im Forum Stadtpark.

ELEVATE: Was bedeutet Open Everything für dich?
Open Everything bedeutet heute gleichsam sehr alte Modelle von Allemende und Gemeinschaft in unserem Wirtschaften und Zusammenleben wieder neu aufleben zu lassen, wie es auch mit der Digitalisierung komplett neue Modelle ermöglicht. In diesen neuen Modellen werden althergebrachte gesellschaftliche Strukturen durch die Möglichkeiten des Computers als universelle Maschine und des Internets als weltumspannendes, egalitären Kommunikationsnetzes in Frage gestellt und neu gedacht.

ELEVATE: In welchen Bereichen ist Openness für dich besonders wichtig? Welche aktuellen Entwicklungen nimmst du dort gegenwärtig wahr? Mit welchen Herausforderungen sind wir konfrontiert?
Die größten Potentiale für eine Öffnung liegen in den geschlossensten, proprietärsten, hierarchischten und ineffizientesten Informationssystemen unserer Gesellschaft. Durch die Umverteilung von Wissen erreichen wir bessere Entscheidungsprozesse im mikroskopitschen unseres Alltages, wo zB. der nächste öffentliche Trinkbrunnen oder der schnellste Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist, oder im großen durch transparentere und effizientere politische Entscheidungen, wie zB in partizipativer Stadtplanung und öffentlichen Ausschüssen im Parlament. Die größte Herausforderung liegt wohl in der Gegenbewegung jener, welche von der aktuellen Schieflage in der Informationsverteilung profitieren. Das sind an erster Stelle Industrien, die es schaffen ihre Kosten in Sachen Klimawandel oder Sozialsystem zu externalisieren, oder Politiker und Verwaltungsbeamte, die sich gegen ein Transparenzgesetz in Österreich stellen.


ELEVATE: Die neue Openness birgt großes Potenzial für Selbstermächtigung und Partizipation, aber auch die Gefahr der totalen Überwachung, Kontrolle und verschärften Ausbeutung und Unterdrückung. Wie schätzt du die Situation ein: welche Tendenz überwiegt?
Jede Technologie birgt in sich das Potential zur Unterdrückung und Ausbeutung, gleichsam aber auch neue Mittel und Wege sich gegen diese Unterdrückung und Ausbeutung zu wehren. Die Ausverhandlung darüber was legitime Anwendungen in einer Gesellschaft sind, ist für mich Netzpolitik. Diese Fragen sind nicht neu, wir stehen heute aber noch viel mehr als zuvor vor der Entscheidung wo die rote Linie zwischen den verfassungsmäßig garantierten Grundrechten der Allgemeinheit und den Partikularinteressen von Sicherheitsapparat und Industrien gezogen wird. Ultimativ steht dahinter eine Frage die alle von uns für sich beantworten müssen, nämlich jene nach unserem Menschenbild und ob wir glauben der Mensch strebt ultimativ ohne Kontrolle eher zum Guten oder zum Bösen. Denn die Logik eines NSA oder GCHQ Sicherheitsapparates ist es, dass unsere Demokratie ein zerbrechliches und seltenes Gut ist, welches vor gefährlichen Kräften und Individuen geschützt werden muss. Solange der Glaube an die Tendenz zum Bösen im Menschen überwiegt, werden diese globalen Sicherheitsapparate den Menschen misstrauen und keinen verhältnissmäßigen Respekt vor Privatsphäre und Menschenwürde einhalten.

ELEVATE: Was müsste gemacht werden, damit das emanzipatorische Potenzial der Openness genutzt werden kann?
Es braucht viele kleine, dezentrale, vernetzte Aktivitäten auf jeder Ebene der Gesellschaft. Etablierte Strukturen zu Verändern ist in diesem Fall nur von unten realistisch. Der Schlüssel liegt darin auf ganz vielen Ebenen die Schräglage in der Verteilung von Informationen anzugleichen. Man kann es sich wie eine Wippe vorstellen, auf der einen Seite haben wir den niedrigen Datenschutz und all das Wissen, das Andere über uns sammeln, und auf der anderen die hoch geschützten Informationen unseres intransparenten Staates, die Geschäftsgeheimnisse und das geschützte geistige Eigentum.

ELEVATE: Für wie wichtig hältst du den Schutz der Privatsphäre und privater Daten? Ist die Gesellschaft der Zukunft vielleicht eine Post-Privacy-Gesellschaft?
Privatsphäre muss auch in jeder Zukunftsvision und Zielvorstellung einer digitalen Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert behalten. Privatsphäre ist nicht nur im Sinne von Minderheitenschutz essentiell, sondern auch im Interesse aller Bürger eine Notwendigkeit für jede freie Demokratie. Aus dem Schutz des Privaten heraus ist es überhaupt erst möglich die bestehenden Verhältnisse in Frage zu stellen, Opposition zu organisieren und Alternativen zu entwickeln. Für alle Menschen gibt es viele Lebensbereiche, welche Privat sind, jedoch nicht zwangsweise geheim.

ELEVATE: Wie werden die neuen Technologien, Produktionsweisen und Kommunikationsmöglichkeiten die Gesellschaft deiner Meinung nach verändern?
Konkret ist diese Frage nicht beantwortbar. Wir fangen heute an erst zu Verstehen in welchem Umfang und in welchen Bereichen sich etwas verändert. Es bleibt spannend!

ELEVATE: Wie können wir alle zu positiven Veränderungen beitragen?

Der freie Informationsfluss im Internet ist eines der wertvollsten Werkzeuge für positive Veränderungen heutzutage. Wie wir seit den Snowden Leaks wissen, ist aber genau dieses Werkzeug von Geheimdiensten zu einem gigantischen Überwachungsapparat geworden. Verschlüsselung ist ein Weg aus dieser Misere, ultimativ brauchen wir aber politische Lösungen und da kommt jede/r Einzelne ins Spiel. Wir müssen von unseren Politikern verlangen sich auf bilateraler und europäischer Ebene für einen starken Datenschutz einzusetzen. Die EU Datenschutz Grundverordnung liefert dafür eine sehr gute Vorlage, leider wird diese gerade von massiven US Lobbyanstrenungen verwässert. Wir haben im Mai Europawahlen, es ist jetzt an der Zeit unsere Abgeordneten anzuschreiben, anzurufen, anzufaxen und ihnen zu sagen: „Ihr wollt wiedergewählt werden, dann setzt euch jetzt für einen starken europäischen Datenschutz ein!“.

Gleichzeitig müssen wir aber auch das Bewusstsein zu diesen Themen in der Bevölkerung steigern. Cryptoparties sind dabei ein guter, nierderschwelliger Anfang für breite Bevölkerungsschichten ihre informationelle Selbstbestimmung wiederherzustellen.

Zuletzt ist Neugierde die beste Quelle für positive Veränderungen! Offene Kulturgüter sind in vielen Bereichen schon ernsthafte Alternativen geworden. Der beste Anfang ist immer dort wo man schon ist. Es gilt zu schauen wo sich in der eigenen Gemeinde, dem Bezirk, der Firma oder dem Hobby schon offene Alternativen herausgebildet haben oder gefragt wären. Die Open Knowledge Foundation setzt sich national und weltweit für die Vermehrung und breite Verwendung von offenem Wissen ein.

Thomas Lohninger

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