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Sequenz vs. Motorik

Der Dungeon-Floor widmet sich am Freitag einem Genre, das sich zwar irgendwo zwischen Punk und Techno verorten, aber nur schwer benennen lässt.

Dabei stellen die überwiegend instrumentalen Stücke die motorische Effizienz eines vermeintlichen Schlagzeugers in den Mittelpunkt. Wave und Industrial verlassen die kühlen Ecken von Gothic und entwickeln sich zu ungeahnten floorfillers. Im dichten Trockeneisnebel kann man als direkte Referenz bestenfalls Alan Vegas Suicide ausmachen ...

Das Eröffnungsset kommt an diesem Abend von T.W.a.t.E.o.T aus Graz, der dabei nach weiteren, oft verborgenen Anknüpfungspunkten zwischen Wave und Industrial sucht.

Die Londoner Formation Blood Music bestreitet das erste Konzert des Abends. Der Name Blood Music spielt auf eine Anekdote von John Cage an: als dieser einen komplett schalltoten Raum betrat und statt der erwarteten Stille plötzlich seinen eigenen Herzschlag vernahm. Lärm/Stille und Überfrachtung/Reduktion sind auch die Pole, zwischen denen die Performances von Blood Music pendeln, deren Rohheit manchmal an Konzerte der frühen Sonic Youth erinnern.

Das Duo Didi Kern/Quehenberger bestreitet das zweite Konzert des Abends. Während Didi Kern vor allem als Schlagzeuger von Fuckhead und Bulbul bekannt wurde, ist Philipp Quehenberger am Technofloor gleichermaßen zuhause wie auf diversen Impro-Jazz-Bühnen. Die beiden haben bereits in verschiedenen Konstellationen zusammengespielt – etwa mit Marshall Allen, dem mittlerweile 89-jährigen Saxofonisten und Leiter des Sun Ra Arkestras. In ihren Performances verbinden sich Kerns Schlagzeug-Kaskaden mit Quehenbergers acidsynthlines zu einer monolithischen Rhythmusmaschine.

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Danach folgt der Auftritt von Cut Hands, einem Projekt von William Bennett, einst Frontman der kontroversiellen Industrial-Formation Whitehouse. Bennetts Begeisterung für karibische und westafrikanische Percussion ist die Grundlage für Strukturen, die sich zwar an klassische Brass-Bands anlehnen, durch die gnadenlose Sequenzierung aber regelrecht unheimlich werden. Nicht überraschend ergibt sich daraus auch eine Nähe zum Sound von Shackeltons Skull Disco. Das in diesen Tagen erscheinende Album von Cut Hands ist daher auf Blackest Ever Black perfekt aufgehoben, einem Label, das sich gewissermaßen aus den Rändern und vor dem Hintergrund der kommerziellen Pulverisierung von Dubstep entwickelt hat.

Einen ähnlichen Gedanken beschreibt auch The Death Of Rave, der Name eines jener Labels, auf denen Powell derzeit zuhause ist. Obwohl die Sounds seiner Tracks oft ungewöhnlich klingen („zerstört“ oder auch scheinbar „falsch“ abgemischt) und Powell seine Faszination für die Ästhetik alter Suicide-Platten kaum verbirgt, wird die Struktur seiner Stücke von Techno und dessen Produktionsmitteln vorgegeben. So erinnern Powells vehemente Suche nach dem off und die fundamentale Ablehnung von Swing unter anderem an Mika Vainio. Angesichts der spannenden Mischung mag man dem jungen Briten auch die politische Unbedarftheit mancher seiner musikalischen Provokationen nachsehen.

DJ Marcelle
bleibt zu guter Letzt die Aufgabe, um all die unterschiedlichen Ansätze, Sounds und Einflüsse einen Bogen zu spannen und sie Revue passieren zu lassen. Ihr Alias Another Nice Mess ist ebenso wie die Tatsache, dass sie vielerorts bereits mit John Peel verglichen wird, ein Indiz dafür, dass die niederländische Weltenbummlerin dieser Herausforderung mühelos gewachsen ist.

Der Dungeon wird während des gesamten Abends vom Kollektiv OchoReSotto visuell bespielt, das eine spezielle Diainstallation für den Raum entwickelt hat.

(Chris Sperl / Skug)