Beginn des Seitenbereichs: Inhalt

Vor zehn Jahren sah die Clubmusiklandschaft ziemlich anders aus. 2005 feierten Oliver Koletzki und Trentemøller ihren Durchbruch, Labels wie Get Physical, M_nus und Border Community fehlten in keiner jugendlichen Plattentasche. Jazzige, beseelte House-Musik fristete dagegen ein Nischendasein und wurde vom breiten Publikum ignoriert. Angesichts des anhaltenden Deep-House-Hypes ist das schwer vorstellbar, aber 2005 interessierte sich kaum ein junger DJ für die Musik von Theo Parrish oder Ron Trent. Zum Teil sind es sogar genau jene DJs, denen es heute nicht deep genug sein kann, die das Genre damals pauschal als Luschen-House verdammten.

 //VIDEO:youtube:7LEgS8fCwXY//

Aber Schwamm drüber, an Wankelmütigen und Opportunist*innen hat es in der Clubszene noch nie gemangelt. Das Problem mit diesen Opportunist*innen ist aber, dass sie das Deep-House-Fach seit Jahren mit Lawinen belangloser Releases verwässern. Sie sampeln alte Jazz-Platten, die Vokal-Schnipsel nehmen sie von Soul-Klassikern und packen einfach eine dicke Bass-Drum drunter. Was cultural appropriation bedeutet, wissen sie nicht. Und es interessiert sie auch nicht, weil sie einfach nur geile, deepe Tracks machen wollen – ohne zu viel darüber nachdenken zu müssen.

Dass guter House aber weit mehr als Clubmusik ist, könnten sie bei The Black Madonna lernen. Seit 2012 ist sie neben Ikonen wie Derrick Carter und Frankie Knuckles Resident-DJ im legendären Chicagoer House-Club Smart Bar, ihre leichtfüßigen House-Tracks wie „Exodus“ werden in der Berliner Panorama Bar als Hymnen gefeiert. The Black Madonna aber fordert in ihrer Musik wie in der Clubwelt generell politisches Bewusstsein ein. In ihrem lesenswerten Pamphlet proklamiert sie: „Tanzmusik muss sich stets hinterfragen, sie braucht das Salz in ihren Wunden. Tanzmusik braucht Riot Grrrls und Frauen über 40.“ Amen! 

Der andere Hauptact der Red Bull Music Academy Nacht ist Osunlade. 1999 gründete der Priester der westafrikanischen Ifá-Religion sein Label Yoruba, mit seinen organischen House-Tracks wurde der US-Musiker schnell zur Lichtgestalt afrozentristischer Tanzmusik. Seine DJ-Sets sind Messen, bei denen Osunlade das Publikum auf spirituelle Reisen mitnimmt. Als Transportmittel dienen dabei: Latin-Jazz, Afrobeat, Soul und deeper House, der das Attribut verdient.

 //VIDEO:youtube:qcxQTLP4_t0//

Ähnlich verhält es sich mit Suzanne Kraft, zumindest was die Mannigfaltigkeit des kalifornischen Produzenten angeht. Seit er 2011 unter seinem bürgerlichen Namen Diego Herrera erstmals ins Rampenlicht trat, veröffentlichte er verhuschte House-Tracks, eiernde Disco-Platten, Lo-Fi-Funk und verrauschte Ambient-Tracks auf honorigen Labels wie 100% Silk und Running Back. Sein aktuelles Album „Talk From Home“ ist ein kleines Meisterwerk voller abgespeckter Sonnenuntergangshymnen zwischen Balearic-House und Heimwerker-Elektronik.

 //VIDEO:youtube:y3PyLvrWZvc//

Neben dem deutsch-venezolanischen Wahlwiener Moony Me, dessen schwereloses Disco-Epos „Magergarten“ auf der neuen Werkschau des Dresdner Labels Uncanny Valley als Track-des-Jahres-Anwärter gilt, tritt auch Etienne Jaumet auf. Mit einem Live-Konzert. Das heißt in seinem Fall allerdings nicht bequemes Auf-blinkende-MIDI-Controller-Tasten-Drücken, der Franzose reist mit seinem Analog-Fuhrpark an, der oft auch koffergroße Modular-Synthesizer beinhaltet. Bedingt durch die altehrwürdigen Produktionsmittel klingt Jaumets Musik, die beim französischen Feinspitz-Label Versatile erscheint, wie Todd-Terje-Edits einer bislang verschollenen John-Carpenter-Filmmusik. 

Text: Florian Obkirchner

Ende dieses Seitenbereichs.
Springe zur Übersicht der Seitenbereiche.