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KONZERTGUIDE

Auch 2018 gibt es beim Elevate wieder eine große Bandbreite an Live-Konzerten. Was uns genau erwartet, hat der Grazer Schlagwerker, Künstler und Elevate-Mitstreiter Patrick Wurzwallner für uns auf den Punkt gebracht.

Nach erfolgreich vollzogener Terminverlegung samt paneuropäischen Synergie-Bestrebungen geht das größte Underground-Festival der Landeshauptstadt in seine nun dreizehnte Iteration und beschert dem Brecht’schen Avant-Partyfolk, wie seit jeher, aufs Neue ein global reflektiertes Potpourri des musikalischer Diskurse – von Monolithen, Mauerblümchen, Akustik, Elektronik, Ekstase and everything in between aus Heimat and beyond. Durchsetzt von zahlreichen methodischen und inhaltlichen AgitatorInnen, RenegatInnen und Sturm-und-DrängerInnen bezeichnet das diesjährige Programm aus selbsttitulierter Konzert-Perspektive nichts anderes als einen stilistischen Roundhousekick in die nachhausedesignten Gesichter der Genrepolizei, einen chirurgischen Guerilla-Angriff auf Konventionen, Regeln und sogenannte Gesetze der Kunst, einen kuratorischen Coup d’État mit ordentlich kreativer Sprengkraft – trocken wie die Guillotine und köstlich wie ein (veganer?) Coupe Dänemark.

Königlicher Fleischwald
Stark, wenn nicht gar legendär eröffnet wird der diesjährige Festivalreigen am Mittwoch im Hauptraum vom Orpheum von niemand Geringerem als Komponist/Turntablist JSX (Jorge Sanchez Chiong) und Austria’s finest One-Man-Rhythm-Machine Koenig (Zitat, Otto von Schirach 2015: „You are epic“) sich in einem furiosen Eins-gegen-Eins-Catchy-Improv-Massaker die Klinke in die Hand geben. Fix bleibt dabei eigentlich nix außer: Es wird spektakulär! Aus dem urbanen Dschungel in die Waelder führt im Anschluss  das junge Wiener Live-Elektronik-Duo Moritz Nahold und Jan Preißler, das in seinen audiovisuellen Prachtbauten eine Dialektik des Non-Lieux (Nicht-Ortes) zwischen Identitäten, Kulturen und Funktionalität befeuert – ein wohlwollende Nahbarmachung elektroakustischer Klangcollagen im Äther aus Ambient, Industrial und Pop.  Zum Abschluss wirds bei Indietronic-Legende B. Fleischmann nochmals schön konsensuell. Der Wiener Komponist, Studiochirurg, Producer und Preisträger, der seinen vielschichtigen Beitrag zur hiesigen Kulturszene bereits seit der späten Mitte der Neunziger in Form zahlreicher Popsongs, Clubtracks, Filmscores, Klanginstallationen und Theatermusiken ablieferte, kommt heuer mit kompletter Band und neuem Album im Gepäck - man darf gespannt sein. Danach heizt DJ-Stilikone und Grazer Führerscheinverweigerer Nummer eins Puschmann, wie immer alle Houseverbote biegend, die überstimulierte Meute im Foyer nochmal an- und nach Hause.

Dunkle Kammern und entrückte Mausoleen
Am darauffolgenden Tag des Donners wartet die erstmalige Festival-Bespielung des ehrwürdigen Grazer Mausoleums mit hochkarätigen internationalen Vertretern musikalischer Performancekunst auf.  Zum Auftakt entführt uns das Grazer Duo Stereoist in basslastige Gefilde. Straight-up tighte Live-Electronics,  die mit feiner Klinge und ordentlich Knöchel gleich mal alles klarmachen. Das Tempo steigert sich in der inzwischen warmgespielten Gruft, wenn der bosnisch-schweizerische Anarcho-Akkordeonvirtuose Mario Batkovic mit seinem grenzgängerischen und dichten Stilmix aus Klassikelementen und Extended-Technique die geöffneten Poren auf seinen narrativ-polyphonen Eskapaden zum Schwitzen bringt. Tiefe Einblicke in die Fragilität des Klangs gibt im Finale niemand Geringerer als der italienische Pianist und Komponist Federico Albanese. Mit Albentitel wie „The Houseboat and the Moon“ (2014), „The Blue Hour“ (2016) oder dem unlängst erschienenen „By The Deep Sea“ (2018) spürt er dem Sehnsuchtsort des Meeres nach. Seine musikalischen Hybride klingen dabei oft wie Echos auf die Weite des offenen Ozeans.

Ganz anders, aber mindestens ebenso radikal gestaltet sich das Donnerstagsprogramm im Keller des Langzeit-Festival-Kollaborationspartners Forum Stadtpark in Form einer weiteren Spezialausgabe der hauseigenen Veranstaltungsreihe Dunkelkammer – Konzerte in absoluter Dunkelheit. Diesmal bespielt vom australischen Schlagzeug-Genius Will Guthrie, der wie kein anderer versteht, ohne Zuhilfenahme elektronischer Hilfsmittel mit seinem Instrument in abstraktere Gefilde vorzudringen. Ein Meister der Domäne der Simulation von Virtualität – das alles nur mit Drums und einem kleinen Gong! Das elektronische Pendant ohne Dunkelheit bildet im Anschluss Noisephilosoph, Geräuschpoet und Soundtüftler-Mastermind Rashad Becker mit einer exklusiven Komposition in 4D – ja, in 4-D!

Shred, Dance, Retrofuturismus, Utopie
Wieder von Grund auf anders dann freitags im Dom im Berg gibt sich mit dem Londoner Trio Kamaal Williams eine der Underground-Jazz-Speerspitzen ein beinahe tanzbar shreddendes Stelldichein – groovy, smooth und unglaublich versiert. Auf einer ganz anderen Baustelle, aber ähnlich virtuos genau in diese Kerbe schlägt im Anschluss der junge Sankt Pöltener Multiinstrumentalist, Dorian-Concept-Protegé und Crack-Ignaz-Albumpartner Wandl, bei dessen cloudy Pop-Epen die meisten Leute sowieso schon längst zum Schmusen anfangen. Samstags im Dungeon in extrem guter Gesellschaft präsentiert das Wiener Duo Schtum, bestehend aus den umtriebigen Musikern und Komponisten Manuel Mayr und Robert Pockfuß, nach penibler einjähriger Studioarbeit ein frisch aus der Taufe gehobenes Set, instrumental und in Echtzeit performte Schöngeist-Industrial-Breitseite aus Bass und Gitarre. Extrem ehrwürdig begehen wir den bravourösen Festivalabschluss am Sonntag im Orpheum mit drei ikonischen KünstlerInnen. Den Anfang vom Ende markiert die selbsttitulierte Anti-Stilikone Ana Threat mit einer ihrer intensiven und höchst performativen Solo-Darbietungen. Direkt im Anschluss: fordernde und fesselnde Beatforschung von Drummer und Improvisateur Greg Fox (Liturgy, Zs, Guardian Alien, Ex Eye), der sein Instrument als körperliches, haptisches Interface für die Interaktion mit dem No-Place begreift. 

Das Grand Finale bestreitet der finnische Musiker Jimi Tenor. Mit seiner Mischung aus dadaeskem Industrial und jazzigem House schleuste er einige der großen Klassiker klugen Narrentums in die Clubkultur der letzten 30 Jahre ein.