// Analyse, Kritik, Perspektiven - Sa.27.Oktober 2007
Die liberale Demokratie befindet sich weltweit in einer Krise. Strukturell an den nationalstaatlichen Rahmen gebunden, wird sie durch die Internationalisierung der Politik im Zeitalter der Globalisierung zunehmend außer Kraft gesetzt. Wirklich grundlegende Entscheidungen werden in supranationalen Institutionen getroffen, die als solche jeglicher demokratischen Legitimation entbehren.
In jenen Staaten, in denen ein allgemeines Wahlrecht durchgesetzt wurde, beschränkt sich die institutionalisierte Partizipationsmöglichkeit der Bevölkerung noch immer fast ausschließlich auf dieses. Formen direkter Demokratie sind kaum verbreitet. Mehr als 50 Prozent aller Volksabstimmungen weltweit finden in der Schweiz statt, in Österreich gab es in der gesamten Zweiten Republik ganze zwei. Die österreichische Bevölkerung wurde nicht einmal konsultiert, als die Europäische Union eine neue Verfassung bekommen sollte. Aktuell soll als Reaktion auf negative Referenden in anderen Staaten ein so genannter „Reformvertrag“, der sich inhaltlich nur unwesentlich von der gescheiterten Verfassung unterscheidet, nun auch in diesen am Willen der Bevölkerungen vorbei beschlossen werden.
Jene Form von „Demokratie“, die die USA in einigen jener Staaten, deren Ressourcen sie zur Aufrechterhaltung der eigenen Wirtschaft benötigen, gewaltsam zu installieren versuchen, sollte an der Weise ihrer Implementierung, aber auch an der Qualität der demokratischen Strukturen im Inneren des Imperiums gemessen werden. Dort herrschen ein durch zweimaligen Wahlbetrug an die Macht gekommener Präsident und eine Administration, die die neue Einheit von Ökonomie und Politik wie keine andere repräsentiert. Das parteipolitische Spektrum der Vereinigten Staaten umfasst lediglich zwei relevante Parteien, deren Politik sich in wesentlichen Fragen kaum unterscheidet und der Bevölkerung keine tatsächlichen Alternativen bietet. Die Wahlbeteiligung an Präsidentschaftswahlen liegt so meist nur bei knapp über 50 Prozent.
In Europa gleichen einander die ursprünglich programmatisch sehr verschiedenen Parteien ebenso zunehmend. Vor allem auch ehemals „linken“ Parteien – wie den deutschen SozialdemokratInnen und Grünen und New Labour in Großbritannien – ist es zu verdanken, dass die zerstörerische neoliberale Restrukturierung der Gesellschaft (Umverteilung nach oben, Sozialabbau, Entsolidarisierung, etc.) auch in Europa massiv voranschreiten konnte.
Wie aber steht es um den Rest der Welt?
Die überwältigende Mehrzahl aller Staaten bezeichnet sich zwar als „Demokratie“, viele sind allerdings als mehr oder weniger rein formal „demokratisch“ zu beurteilen. Immer mehr Menschen (vor allem AnhängerInnen fundamentalistischer Religionen) lehnen demokratische Formen grundsätzlich ab. Global betrachtet ist insgesamt also ein ganz eindeutiger antidemokratischer Backlash zu konstatieren.
Hoffnungslos ist die Lage allerdings nicht, denn weltweit kämpft eine Vielzahl sozialer Bewegungen, zivilgesellschaftlicher Initiativen und verschiedener anderer AkteurInnen für die Erhaltung bereits erreichter demokratischer Errungenschaften bzw. deren Neudefinition und Ausweitung.
In Lateinamerika haben mächtige Bewegungen in den vergangen Jahren Regierungen an die Macht gebracht, die versuchen, umfassende Demokratisierungsprozesse in Gang zu bringen, die teilweise grundlegend über liberale Konzeptionen hinausweisen. Am weitesten fortgeschritten sind diese Bestrebungen in Venezuela, wo breite Teile der Bevölkerung in die Erarbeitung einer neuen Verfassung miteinbezogen wurden. Das Ergebnis dieses Prozesses ist eine tiefgreifende Politisierung der Gesellschaft. Die Diskussion über die Neugestaltung der sozialen Verhältnisse scheint sich tief im Alltag der Menschen zu verankern. Sie fühlen sich als aktive MitgestalterInnen der Politik und Ökonomie ihres Landes. Eine „partizipative, protagonistische Demokratie“ beginnt sich zu entfalten.
// Programmübersicht:
@ Spektral
11:00 - 13:30 - Demokratie in Bewegung(en) - Workshop mit Leo Kühberger und Laila Huber (A)
@ Dom im Berg
14:00 - 16:00 - Demokratie von oben, Demokratie von unten - Impulsreferate und Diskussion zum Thema "Herrschaft, Widerstand und Partizipation in den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Venezuela" - mit Cynthia McKinney (USA), Christian Felber (A), Malte Daniljuk (D)
Moderation: Johanna Muckenhuber & Daniel Erlacher
17:00 - 20:00 - Demokratie im 21. Jahrhundert: Ende oder Neubeginn? - Podiumsdiskussion mit Eingangsstatements von: Dr. Dr. Helmut Friessner (A), Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand (D)
Weiters diskutieren: Cynthia McKinney (USA), Christian Felber (A) und Malte Daniljuk (D)
Moderation: Christian Stenner (Korso)
@ Grüne Akademie
20:00 (open end) - Open Space
Weiterführende Diskussion, persönliche Gespräche, Vernetzungsmöglichkeiten mit den Vortragenden und DiskutantInnen des Tages.
*ALLE Veranstaltungen finden bei FREIEM EINTRITT statt!