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Diskurs Guide

Vertrauen ist fordernd, Zynismus ist faul. Doch wenn das Leben weitergehen soll, muss Hoffnung bleiben – selbst wenn das Vertrauen erschüttert ist.

Vertrauen ist die Basis jeder Verbindung, jeder Kooperation, jeder Veränderung. Doch in einer Zeit, in der Desinformation, Polarisierung und systematische Angriffe den öffentlichen Raum prägen, scheint Vertrauen oft wie ein verlorener Luxus sowie in einer stetigen Veränderung als nicht mehr „en vogue". Dabei ist es nicht blindes Vertrauen, das uns weiterbringt, sondern kritisches Vertrauen – ein Vertrauen, das wagt, Fragen zu stellen, um Verantwortung konstruktiv zu teilen und die Zukunft zu gestalten.

Das Elevate Festival 2025 lädt ein, sich mit der Kunst des Vertrauens zu befassen: Wie entsteht es, wo wird es blockiert, und wie lässt es sich erneuern? Vertrauen ist keine naive Haltung, sondern eine Grundlage für Mut, Handeln und den gemeinsamen Aufbau neuer Strukturen. Vom schmalen Grat zwischen berechtigter Skepsis und destruktivem Zynismus bis hin zu den radikalen Fragen: Wem vertrauen wir, warum – und wie können wir dieses Vertrauen erlangen bzw. verdienen?

Für diese und andere Fragen wird der Heimatsaal im Grazer Volkskundemuseum wieder drei Tage lang zum Ort für einen offenen Diskurs der Perspektiven, mit lokalen wie internationalen Gästen. 

Im Zentrum steht der Dialog: über die Macht des kritischen Denkens bis hin zu den Wegen, wie wir Hoffnung aus den Abgründen unserer Systemkrisen schöpfen. Denn ohne Vertrauen gibt es keine Aktion. Keinen Wandel. Kein Morgen. 



"Ok, Doomer" – der Tanz am Abgrund ist nur möglich, wenn wir die Augen offenhalten.

Thementag 1: Gemeinsam durch den Klimakollaps, kritische Vertrauensbildung und die Medien in der Vertrauenskrise

Der erste Tag des Diskurs-Programms, am Donnerstag, dem 6. März ab 10:00 Uhr, startet mit einem interaktiven Workshop zur Vertrauensbildung in der Klimakrise und im Umgang mit Climate Anxiety. Zusammen mit dem Schweizer Physiker und Klima-Risiko-Experten Samuel Eberenz erkunden die Teilnehmer:innen, wie Vertrauen, Zusammenarbeit und Resilienz – jenseits der Individualisierungsfalle – aufgebaut werden können und erproben dabei im Rahmen eines Festival-Besuchs, wie sich Verzweiflung in gemeinsames Handeln verwandeln lässt.

Weiter geht es mit einer Keynote von Friedrich von Borries. Der Professor für Designtheorie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg forscht zum Verhältnis von Gesellschaft und Gestaltung, beschäftigt sich mit Nachhaltigkeit und den Möglichkeiten gesellschaftlicher Transformation und bewegt sich im Spannungsfeld von Architektur, Design und Kunst. In seinem Vortrag wird er anhand der Architekturgeschichte aufzeigen, warum – zumindest in der Architektur – ein gewisses Maß an Misstrauen oft durchaus berechtigt sein kann.



No Trust – No Action: No change?

Auch das erste Podiumsgespräch widmet sich den Bedingungen und Herausforderungen kritischer Vertrauensbildung. Im Panel „No Trust No Action“ stellen sich Lea Dohm, Psychologin, Aktivistin und Mitgründerin der Psychologists For Future, Mazda Adli, Psychiater und Experte für urbane Stressforschung, sowie Emina Saric, Expertin für Integration und Geschlechterfragen unter der Moderation von Transformationspsychologin und Elevate-Kuratorin Irina Nalis den großen Fragen: Wie kann kritisches Vertrauen, dass weder blind noch destruktiv ist, entstehen? Was fördert oder schwächt es und welche Rolle spielen Zukunftsängste dabei?

Das nächste Panel widmet sich den „Medien in der Vertrauenskrise“. Dazu beleuchten Esra Karakaya, Journalistin und Aktivistin, dringend notwendige Diversität und inklusives Storytelling, sowie Nadja Hahn, langjährige ORF-Journalistin, jetzt Media Relations and Communications Manager bei IIASA, die Herausforderung, komplexe Themen wie die Klimakrise zu vermitteln – in einer Welt, wo Faktenchecks als Einschränkung der Meinungsfreiheit entwertet werden. Gemeinsam mit Correctiv-Mitgründer Daniel Drepper und Politik-Journalist Georg Renner diskutieren sie über Transparenz, investigativen Journalismus und neue Finanzierungsmodelle. Moderiert wird das Panel von Julia Herrnböck.

Artist-Talk mit Suzanne Ciani

Zum Abschluss des Tages gibt es einen Artist-Talk mit der US-amerikanischen Komponistin, Musikerin und “America's first female synth hero” Suzanne Ciani. Seit den 1970er Jahren aktiv, gilt sie als eine der frühen Koryphäen im Bereich der Synthesizer und Pionierin der elektronischen Musik und dem Sounddesign für Film und Werbung. Im Gespräch blicken wir auf ihre bahnbrechende Karriere und ihre wegweisenden Beiträge zur elektronischen Musik.



Thementag 2: Nicht-menschliche Intelligenzen, Un/Trustworthy AI und Netzpolitik 

Freitag, der 7. März, startet um 10:00 Uhr mit dem Workshop „Manuals for Designing Trust“. Studierende des Studiengangangs Informationsdesigns an der Fachhochschule Joanneum in Graz erarbeiten und teilen ihre Gebrauchsanweisungen, die untersuchen, wie Design als strategisches Werkzeug von einflussreichen Akteuren wie Unternehmen und Regierungen verwendet wird, um Vertrauen zu erzeugen. Unterstützt werden sie u. a. von Studiengangsleiterin Birgit Bachler und Friedrich von Borries.

Die Keynote des Tages kommt von James Bridle (they/them), renommierte:r britische:r Künstler:in, Schriftsteller:in und „Technologist“, gilt als Vordenker:in unserer technologischen Zukunft und kommentiert seit Jahren digital-technologische Neuerungen für renommierte Medien wie den Guardian, Wired oder The Atlantic. In deren jüngsten Buch „Die unfassbare Vielfalt des Seins“ widmet sich Bridle der Vielfalt nicht-menschlicher Intelligenzen und zeigt dabei auf, wie wir pflanzliche und tierische Intelligenzen in einem Dialog mit künstlicher und menschlicher Intelligenz denken können.

“The danger isn’t that AI destroys us. It’s that it drives us insane.” Jaron Larnier

Das erste Panel am Freitag versammelt unter der Moderation von Christoph „Burstup“ Weiss Expert:innen, die sich dem unkritischen Vertrauen in KI und den dahinter stehenden Machtstrukturen entgegenstellen. Irma Mastenbroek, Expertin für globale KI-Standards und Aktivistin für queere und feministische Tech-Politik, plädiert für verantwortungsvolle Entwicklung und die Einhaltung technischer Standards, die soziale Gerechtigkeit fördern. Eugenia Stamboliev, Medienwissenschaftlerin und Technikphilosophin, forscht zu Fragen von Vertrauen und Misstrauen rund um  KI, mit Fokus auf Diskriminierung und Gender Bias. Alfred Ongere, Gründer von AI Kenya, zeigt, wie KI in Ostafrika als Werkzeug für Bildung und Demokratie sowie gegen Korruption eingesetzt wird – und wie wichtig es ist, lokale Communities in die Gestaltung der Technologie miteinzubeziehen.



Netzpolitischer Abend und eine interpretative Anleitung, wie man eine “Truth Engine” baut

Mittlerweile zur Tradition geworden, ist der Netzpolitische Abend auch dieses Jahr wieder zu Gast am Elevate und bietet Einblicke in aktuelle netzpolitische Themen. Mittlerweile zur Tradition geworden, ist der Netzpolitische Abend auch dieses Jahr wieder zu Gast am Elevate und bietet Einblicke in aktuelle netzpolitische Themen. Dabei geht es um den Umgang mit IT-Security-Forschung und dem Aufdecken von Schwachstellen in Österreich, um “biased algorithms” sowie die politischen Aspekte einer Initiative zur biometrischen Identifizierung – des Aadhaar-Projekts – in Indien.

Mit dabei sind Sebastian Kneidinger von epicenter.works, Lisa Duschek und Gyan Tripathi. Moderiert wird der Abend von Elisabeth Kury.

Abschließend wird der Regisseur Friedrich Moser seinen Film „How to Build a Truth Engine” (mitproduziert von Hollywood-Star George Clooney) präsentieren, in welchem er der Frage nachgeht, warum wir so leicht auf Desinformation, Fake News und Verschwörungstheorien hereinfallen und was wir dagegen tun können?

Thementag 3: Vertrauen in der Globalen Politik auf dem Prüfstand, Dialog zum Nahostkonflikt und feministische Kämpfe in stetiger Erneuerung

Der Workshop am Samstag, 8. März, knüpft thematisch an den Freitag an. In einem spekulativen Design-Workshop lädt die niederländische KI- und Zukunftsforscherin Freyja van den Boom dazu ein, die Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft radikal neu zu denken – ausgehend von unseren Werten und nicht nur von technischen Möglichkeiten.

In ihrer Keynote beleuchtet Barbara Prainsack, Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse an der Universität Wien und Leiterin der interdisziplinären Forschungsplattform „Governance of Digital Practices“ die Ursachen des schwindenden Vertrauens in die Politik und wird dabei der zentralen Frage nachgehen: Wenn die Bevölkerung den Regierenden nicht mehr vertraut: „Was kommt nach dem Vertrauen?“

Unter dem Titel “Political Trust on Trial” treffen anschließend internationale Perspektiven auf Vertrauen, Macht und Demokratie aufeinander: Paul Krisai, ORF-Auslandskorrespondent in Moskau, berichtet aus dem Inneren autoritärer Systeme, wo Propaganda und Machtkalkül Vertrauen als Werkzeug einsetzen. Gvantsa Gverdtsiteli, Expertin bei Transparency International, beleuchtet, wie Korruption das Vertrauen in Klimapolitik und internationale Kooperation zerstört. Lukas Hermsmeier, Journalist und Autor, zeigt, wie soziale Bewegungen in den USA Vertrauen von unten aufbauen und gegen institutionelles Versagen mobilisieren. Moderiert von Professorin Roberta Maierhofer, Kulturwissenschaftlerin und Leiterin des Zentrum für Inter-Amerikanische Studien an der Universität Graz, wird das Panel kritisch hinterfragen, wie politisches Vertrauen weltweit verspielt, manipuliert oder neu definiert wird.



Weiter geht es mit dem Panel „Empörung, Empathie und Engagement“, das den Nahostkonflikt sowie die Spannungsfelder im Diskurs über Israel-Palästina in den Fokus rückt. Im Zentrum steht die Frage, wie ein Dialog, der frei von antisemitischen, rassistischen oder anti-arabischen Ressentiments bleibt, möglich ist, und dabei das Leid sowie die Perspektiven aller Betroffenen ernst nimmt. Wie können wir über ein so emotional und historisch aufgeladenes Thema sprechen, ohne in Polarisierung zu verfallen, und stattdessen einen Raum für Dialog schaffen?

Dazu diskutieren der Autor und Feuilletonist Jens Balzer, der sich in seinem Essay „After Woke“ kritisch mit den Reaktionen der progressiven Linken auf den 7. Oktober auseinandersetzt. Tom Khaled Würdemann, Nahostwissenschaftler am Graduiertenkolleg „Ambivalente Feindschaft“ der Hochschule für Jüdische Studien und Universität Heidelberg, der zur palästinensischen Nationalbewegung forscht und als Pädagoge gegen Rassismus, Antisemitismus und Extremismus aktiv ist. Jouanna Hassoun, die vor dem Bürgerkrieg im Libanon nach Deutschland geflüchtet ist und selbst palästinensische Wurzeln hat. Sie setzt sich unter anderem als Mitgründerin des Vereins Transaidency für den palästinensisch-jüdischen Dialog und gegen Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit ein. Moderiert wird das Panel von ORF-Report-Journalisten Yilmaz Gülüm.

Beschlossen wird das Diskursprogramm am Feministischen Kampftag mit dem Film “Army of Women” der norwegischen Regisseurin Julie Lunde Lillesæter – mit einleitenden Worten der Kriminologin und Juristin Greta Pomberger vom Grazer Frauenrat. Der Film begleitet eine Gruppe von Frauen in Austin, Texas, die sich zusammenschließen, um gemeinsam rechtlich gegen das System vorzugehen, das ihren Vergewaltigern ermöglichte, straffrei davonzukommen und zeigt dabei eine Geschichte von weltweiter, nachdrücklicher Relevanz.

Discourse
Alfred Ongere (KE)Barbara Prainsack (AT)Birgit Bachler (AT)Christoph Burstup Weiss (AT)Daniel Drepper (DE)Eugenia Stamboliev (AT) | Elisabeth Kury (AT)Emina Saric (BA/AT)Esra Karakaya (DE)Freyja van den Boom (NL)Friedrich Moser (AT)Friedrich von Borries (DE)Georg Renner (AT)Greta Pomberger (AT)Gyan Tripathi (IN)Gvantsa Gverdtsiteli (GE) | Irma Mastenbroek (NL)Irina Nalis (AT)James Bridle (UK)Jens Balzer (DE)Jouanna Hassoun (DE)Julia Herrnböck (AT)Lea Dohm (DE)Lisa Duschek (AT)Lori Baldwin (US)Lukas Hermsmeier (DE)Mazda Adli (DE)Nadja Hahn (AT)Paul Krisai (AT)Roberta Maierhofer (AT)Samuel Eberenz (CH)Sebastian Kneidinger (AT)Suzanne Ciani (US)Tom Khaled Würdemann (DE)Yilmaz Gülüm (AT)