Hyperdub 10 - Die Macht der Bässe

Freitag, 24 Oktober 2014

Zum zehnten Geburtstag seines Labels Hyperdub kuratiert Steve Goodman alias Kode9 bereits zum zweiten Mal eine Bühne im Dom im Berg.

Die Kickdrum zischt, als würde sie von einer Dampfmaschine angetrieben, die Snares rollen in nervösen Triolen, eine flache, punktierte HiHat treibt den Beat zusätzlich vorwärts: „Position“, ein Vocal als einziger, verhallter Loop. Der gleichnamige Track, „Position“ von der Londonerin Sara Abdel-Hamid alias Ikonika, ist eine Nummer, die zwischen den Stühlen Techno und Bass Music sitzt und in ihrer Vertracktheit für vieles steht, was das Label Hyperdub seit zehn Jahren ausmacht.

Einen Zeitgeist nicht nur einfangen, sondern auch mitformen, das war schon 2004 das Motto, als der Produzent und Sound-Theoretiker Steve Goodman Hyperdub ins Leben rief. Das Vierviertel-Korsett der Techno-Kickdrum in all ihren minimaleren Ausformungen war gerade am Aufbrechen; langsam machte sich eine wobbelige Schwere in den Bässen der weltweiten Clubtracks breit. Goodman war unter seinem Alter Ego Kode9 und gemeinsam mit dem MC Spaceape ganz vorne mit dabei, als das praktisch neugefundene Genre Dubstep, vielleicht eine der letzten großen Revolutionen in der Clubmusik, Einzug in die Plattenkoffer und Playlists der DJs hielt. Auch Mark Lawrence alias Mala, damals noch nicht im Roster von Hyperdub, steht in den Listen der Mitbegründer*innen und Mitformer*innen des Begriffs stets ganz oben.

 



Dubstep als sich ewig wandelndes Lebewesen – das Aufkommen seiner steppigeren Spielarten, die Wandlung zu Grime, die Vereinigung der punktierten Bässe mit R’n’B, Pop und Hip Hop, die Wiederentdeckung und Neuinterpretation von Juke und Footwork und deren kleinteiligem, synkopierten Hakenschlagen: Hyperdub blieb mit Releases von etwa Zomby, Darkstar, dem Hyperdub-Radioshow-Host Scratcha DVA, dem ewigen Sounddesigner Burial oder den Chicagoer Juke-Veteranen DJ Rashad und Spinn auch in den folgenden Jahren stilprägend. Laurel Halo fusionierte klaustrophobische Sci-Fi-Welten mit Drone und Techno, Jessy Lanza stand in jüngerer Vergangenheit für eine unterkühlte, minimalistische Version von R’n’B, Fatima Al-Qadiri arbeitet an Konzeptkunst über westlich geprägte Stereotypen fremder Kulturen: Die CD-Compilation zum zehnten Labelgeburtstag, die im Laufe dieses Jahres als Hyperdub 10.1 bis 10.4 herauskommt, muss also vierteilig sein, um die visionäre Breite der Artistfamilie abzubilden.

 



Wenn in der Freitagnacht des diesjährigen Elevate Festivals zwei der Grande Dames des Labels, Ikonika und Cooly G, gemeinsam mit Scratcha DVA, Special Guest Mala und Kode9 selbst auf der Bühne des Dom im Berg stehen, vervollständigt sich das theoretische Bild von Hyperdub in der Praxis des Dancefloors. Cooly G wird ihr zweites Album Wait 'Til Night im Gepäck haben, das erst wenige Tage davor erscheint und supersensuelle Bass Music mit ihren eigenen R’n’B-Vocals und Synthpop kreuzt, und auch bei den anderen sind Vokalperformances während der Sets mehr als nur wahrscheinlich. Umrahmt wird das Labelshowcase vom Belgrader DJ-Team Feloneezy & Jackie Dagger, die als Mystic Stylez und Teil der Teklife-DJ-Crew rund um den verstorbenen DJ Rashad dessen Juke-Erbe und enge Verbindung zu Hyperdub in ihren Sets aufrecht erhalten.

(Katharina Seidler / FM4)