Jungle Not Jungle

Dienstag, 21 Oktober 2014

Selten zuvor war das Erbe von Jungle der frühen 1990er Jahre so präsent wie in den letzten Jahren. Der Überdruss mit digitalen Produktionstechniken und dem damit verbundenen Plastiksound hat dazu geführt, dass sich viele Producer ihrer Vergangenheit besinnen und ausprobieren, in welcher Form sich der „alte“ Sound in die Gegenwart versetzen lässt – im Idealfall mitsamt den Ideen und Werten einer längst vergangenen Ära, deren Reste vom Eventkapitalismus langsam, aber sicher verdrängt werden.

Der Floor wird von doze eröffnet, zwei jungen Artists aus Graz, die in ihren Sets gerne den fliegenden Wechsel zwischen UK-Bass, Freejazz, Hip Hop und Jungle propagieren und sich damit von vornherein jeglicher Verwertungslogik der EDM-Industrie entziehen. Mit anderen Worten, es rumpelt und kracht, dass es eine Freude ist!

Anschließend tritt Tessela, einer der interessantesten Newcomer aus Bristols lebendiger UK-Bass-Szene auf. Hatte er sich bei seinen ersten Releases auf Peverelists Punch Drunk und All City noch deutlich an Dubstep und UK Garage orientiert, nähert sich der Brite nun einem Breakbeat-Techno an, der seine Ursprünge in Hardcore und Jungle hat und derzeit auf R&S ein Zuhause findet. 

Charlie Fieber alias Fracture ist Betreiber des Astrophonica-Labels und gemeinsam mit seinem Partner Neptune einer der aktivsten Protagonist*innen jenes Teils der Drum-&-Bass-Szene, der sich mit den seit Jahren dominierenden Trance-Einflüssen nicht abfinden will. Um der Szene ihren ursprünglichen Groove zu re-injizieren, kombiniert Fracture Jungle mit Footwork und experimentiert mit Half- und Doubletime. Mit seinen Releases auf dem von D-Bridge betriebenen Exit Records und auf Metalheadz knüpft er nahtlos an die goldenen Zeiten dieses Labels an.Metalheadz ist auch das Stichwort für Jim Baker aka Source Direct, der ab 1995 gemeinsam mit seinem damaligen Partner Phil Aslett den Sci-Fi-Sound einer ganzen Breakbeat-Generation mitprägte. Nach einer Pause von fast zehn Jahren tritt Baker wieder als DJ und Producer in Erscheinung. In seinen Sets zeichnet er dabei die Entwicklungen von Jungle und Hardcore nach, etwaige Gedächtnislücken werden gnadenlos mit Amenbreaks gefüllt.

Was Prag seit einiger Zeit für Grime ist, stellt Budapest schon seit geraumer Zeit für Drum & Bass dar – eine Bastion britischer Musikkultur mitten in Europa. Somit ist es nur konsequent, den Abend mit Mentalien aka Gergo Farkas vom Budapester Bladerunnaz-Kollektiv ausklingen zu lassen; einem der wenigen DJs, der sich im Drum & Bass ähnlich zu Hause fühlt wie im 2-Step und UK Garage.

(Text: Chris Hessle/Skug)