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Donnerstag, 25. Okt - 25.10.2012

Großer Minoritensaal
   
20:00 - 23:00

Christian Steinbacher (at)Ensemble EIS / Christoph Herndler (Ensemble EIS/at)

Kathrin Röggla (at)Polwechsel (at)



« Text.Ton.Stück I
"Das Bügeleisen ausglühen lassen?"

Christian Steinbacher: Text und Stimme
Petra Stump: Klarinette
Yova Serkova: Akkordeon
Christoph Herndler: Kompositionen und Rasterung

Eröffnet wird das künstlerische Programm am Donnerstag im Großen Minoritensaal durchden Autor, Herausgeber und Kurator Christian Steinbacher, der unter der kompositorischen Leitung von Christoph Herndler mit Teilen des Ensembles EIS ein neu arrangiertes Text.Ton.Stück uraufführen wird. Christian Steinbacher, Jahrgang 1960, ist ein Dichter, der die künstlich geordnete Starrheitvon Sprache und Welt in Bewegung versetzt, indem er ihr zurückgibt, was man ihr nie ganz hat nehmen können: Dynamik, Bewegtheit, ein Fließen und Anlaufen gegen den Stillstand. Um die Flüchtigkeit alles Bestehenden wissend erinnert er an die Poesie in ihrer Ursprungsbedeutung als „Poiesis“, als kreatürlich prozesshaftes Schaffen und immer wieder Neu-Schaffen, das niemals zu einem Endpunkt kommen darf, will man die zuallererst mit Sprache erschaffene gesellschaftliche Wirklichkeit verändern. Mit subjektiv poetischen Assoziationen unterwandert er das Ideologische im Spiegel der Sprache, mit akustisch sinnlichen Laut- und Silbenverbindungen durchtrennt er ihre logisch hierarchischen Verkettungen, als poetisch philosophischer Weltenschöpfer kämpft er an gegen jede herrschende Ordnung, indem er ihr Werkzeug, die Sprache, zum Spielzeug des anarchisch-freudigen Harlekins erklärt. Mit dem Komponisten Christoph Herndler verbindet ihn neben zahlreichen gemeinsamen Projekten, zumeist an der Schnittstelle von Neuer Musik, Dicht-, Sprach- und Konzeptkunst, die ehrliche Skepsis an der Figur des Komponisten, die Herndler in einem engeren und Steinbacher in einem weiteren Sinne verkörpert. Wie können freie Entfaltung und geordnete Planung, individuelle Freiheit und das Zusammenspiel einer Gemeinschaft gestaltet werden, ohne der befehlenden Gewalt einer führenden Instanz unterordnet zu sein – diese Grundfragen menschlichen Zusammenlebens führen nicht nur von Ovids Sehnsucht nach einer regelfreien, herrschaftslosen Urgesellschaft bis zu den Entwürfen einer offenen, pluralistischen Gesellschaft bei Karl Popper, sie versinnbildlichen sich auch in der Frage nach der Organisation von Musik im sozialen Gefüge. Seit den fünfziger Jahren, unter dem Einfluss der zweifellos verheerendsten Menschheitskatastrophe totalitärer Unterdrückung, problematisieren viele der kritischen Geister der Musiktheorie die Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen in der klaren Rollenaufteilung zwischen Komponist und Dirigent einerseits und zwischen jenen von der ersten Geige bis zu den ganz weit hinten, strukturell ganz weit unten erschallenden Pauken andererseits. Herndlers Partituren, seine oftmals geometrisch abstrakten Notationsgraphiken und seine konzeptionellen Überlegungen sind neben vielem anderen auch ein bemerkenswerter Versuch, die künstlerische Freiheit des einzelnen Interpreten mit den Ideen und den immer auf das große Ganze gerichteten Ansprüchen des Komponisten zu vereinen – ein Versuch, die Beziehung von Individuum und Gesellschaft in der Abstraktion von Klangkunst, in der Sphäre des Übergangs von formaler Strenge zur Freiheit zwischen den Tönen neu zu denken.

 

« Intervention I
"nischenprodukt"
Grillhendl Rotaion Crew
Jopa Jotakin von und zy Prexa ++ Oskar Werner Zahrer

Die erste Intervention des Festivals kommt von den beiden Experimentalkünstlern jopa jotakin von und zy prexa und Oskar Werner Zahrer, zwei Mitglieder der im Wiener Untergrund verwurzelten Tanz-Theater-Performance-Gruppe “Grillhendl Rotation Crew” haben sich mit ihren unzähligen Auftritten im Umfeld des Salzburger Off-Szene-Theaters “toihaus”, dem autonomen Wiener Freiraum-Kulturzentrum “einbaumöbel” und anderer Zentren subkultureller Avantgarde einen Namen als Garanten für stark dadaistisch beeinflusste, höchst unkonventionelle Dicht- und Performance-Kunst gemacht. In ihrer Selbstbeschreibung heißt es über die Performance-Gruppe: “Die Grillhendl Rotataion Crew ist ein Zusammenschluss mehrerer Kunstschaffender verschiedenster Disziplinen, welche in poetischer Art versuchen etablierte und tradierte Darstellungsformen zu erneuern und so frische Felder zu erschließen.” Zentral ist dabei das Aufweichen von Trennlinien zwischen einzelnen Genres durch einen bewussten Einsatz interdisziplinärer Techniken. “Gespielt und umgegangen“, so heißt es in der Beschreibung weiter, “wird sowohl mit Musik und Text, als auch mit dem Körper, dem Raum und der präsenten Situation.” Für das Festival steuern sie ein “nischenprodukt” bei, das sich selbstironisch in den vorgegebenen Rahmen fügt und doch mit dadaistischer Wucht.

 

« Text.Ton.Stück II
"Tangente. Eine Musikperformancehörstücksraumverwandlung"

Burkhard Beins: Schlagzeug, Percussion
Martin Brandlmayr: Schlagzeug, Percussion, Vibraphon
Werner Dafeldecker: Kontrabass
Michael Moser: Cello, Elektronik

Nach einem besonderen Programm-Intermezzo, das an dieser Stelle noch nicht verraten wird, steht das zweite große Text.Ton.Stück des Festivals am Programm: Die Eröffnungsrednerin Kathrin Röggla trifft aufdie vier Ausnahmemusiker des „Avantgarde Jazz/Neue Musik“-Ensembles Polwechsel: Burkhard Beins (drums, percussion, objects), Martin Brandlmayer (drums, percussion, objects), Werner Dafeldecker (double bass) und Michael Moser (cello, electronics). Sie haben sich in den frühen 90ern – damals noch gemeinsam mit Burkhard Stangl (der am Samstag als Solomusiker auftreten wird) – in einem Umfeld aus Neuer Musik, Elektronik, Jazz und experimentellem Rock gefunden. Ähnlich wie das Ensemble EIS problematisieren auch sie die hierarchischen Strukturen in kompositorischer Musik: Das Ensemble spielt ausschließlich Kompositionen seiner eigenen Mitglieder, Kompositionen, die zwar auf der intuitiven Leichtigkeit von Improvisationserfahrungen beruhen, sich aber durch eine konsequente Verweigerungshaltung gegenüber der tradierten Spielweise der Instrumente und durch eine Konzentration auf geräuschhafte Klangflächen deutlich von klassischen Tonanordnungen absetzen. Polwechsel – so der Jazzjournalist Andreas Felber – seien „Helmut Lachenmann multipliziert mit John Cage dividiert durch Derek Bailey“; was dabei herauskommt, muss selbst gehört werden. Feststeht: Ihr Name ist Programm: ein akustisches Anlaufen gegen den Sog, eine immerwährende Bereitschaft zur Richtungsänderung, zur Skepsis gegenüber den Verlockungen des stillstehenden Sich-Hingebens und Umspülen-Lassens von den mächtigen Wogen gleichförmiger (Schall-)Wellen.