hoergeREDE l3
Festival für Text, Ton und Diskurs

Wie gewohnt präsentiert das heurige hoergeREDE-FESTIVAL für Text, Ton und Diskurs in Kooperation mit dem Kulturzentrum bei den Minoriten und dem ELEVATE-Festival zeitgenössische Literatur, Soundart, Diskurs und Performance. Autor_innen wie Ann Cotten, Phil Minton und FALKNER zeigen multimediale Text-Ton-Stücke , die eigens für dieses Festival mit MusikerInnen wie bulbul, Electric Indigo und Dat Politics erarbeitet wurden. Interventionen und Vorträge, Diskussionsrunden, Lectures und Konzerte ergänzen die inhaltliche Schwerpunktsetzung, die sich 2013 leitmotivisch dem Thema macht ² – light the power verschreibt. An vier Tagen trifft politische Dichtung auf Avantgarde-Rock, Spoken Poetry auf zeitgenössischen Tanz, Videokunst und Lyrik auf Gitarre, Schlagzeug und Bass.

Donnerstag, 24. Okt

Großer Minoritensaal - in Kooperation mit hoergeREDE / hosted by skug
drone / post-metal / shoegaze / text peformance

20:00 - 00:00

Wrekmeister Harmonieslive (Thrill Jockey/us) - w/ Alex Hacke & Chris Brokaw

Hella Cometlive (Noise Appeal Records/at) - Album Release Show

KAJKYTlive (God Records/ba)

Ann Cotten (de)Dat Politics (fr)



Freitag, 25. Okt

Großer Minoritensaal - hoergeREDE 13
Text.Ton.Tag II

20:00 - 23:00

dieb13 (at)Phil Minton (uk)

Electric Indigo (at)Olga Flor (at)



Samstag, 26. Okt

Großer Minoritensaal - hoergeREDE 13
Text.Ton.Tag III

20:00 - 23:00

Eyal Bromberg & Andrea Gunnlaugsdóttir (SEAD Academy/is)Marko Dinic (at)Wolfwetz (at)

Fabian Faltin (at)Robert Prosser (at)

bulbul (at)FALKNER (at)





macht ² – light the power!


Auch heuer findet wieder das hoergeREDE-Festival für Text, Ton und Diskurs als Festival im Festival statt.
An vier Tagen trifft im Kulturzentrum bei den Minoriten politische Dichtung auf Avantgarde-Rock, Spoken Poetry auf zeitgenössischen Tanz, Videokunst, Lectures und Diskussionen auf Gitarre, Schlagzeug und Bass, heuer zum Thema macht ² – light the power!

Wir leben umgeben von einer permanenten Präsenz der Macht. Schon das 20. Jahrhundert, die Zeit der verheerenden ideologischen Verirrungen, war das Jahrhundert der Macht. Desaströse Kriege, Faschismus und Stalinismus, Blockbildungen, eine globalisierte Ökonomie sowie perfektionierte Waffen- und Überwachungstechnologien lassen Macht zum zentralen Schlagwort in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden. Bertrand Russel hat bereits kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs dafür plädiert, Macht als Grundbegriff der Sozial- und Politikwissenschaften zu etablieren, so wie es ‚Energie’ in der Physik ist. Zuvor war es Friedrich Nietzsche, der in einer Zeit großer technischer Erneuerungen den Fokus auf das legte, was dem Menschen Antrieb, Verhängnis, Folter und Schwert wurde, dem Willen zur Macht als ‚blindes Streben zum Sein’ im ständigen Prozessen der Überwindung oder des Überwundenwerdens von Macht. Nun, am Beginn des neuen Jahrtausends, schreitet die Komplexität dessen, was wir unter Macht verstehen, weiter voran: Kein Begriff ist so sehr in der politischen und ökonomischen Alltagsrede verankert, und kein Begriff ist zugleich so uneindeutig. „Die Macht der Macht“, so mutmaßt Luhmann, scheine wesentlich auf dem Umstand zu beruhen, „dass man nicht genau weiß, um was es sich bei ihr eigentlich handele“.

Macht, so Byung-Chul Han, entfalte ihr ganzes Potenzial in dem „breiten Zwischenraum zwischen Jubel und Zwang“. Was wir heute, vor einer tief zurückreichenden Kulisse der permanent vergegenwärtigten Vergangenheit, einer sich neu und unplanbar entfaltenden Zukunft in unseren simultanen Gegenwarten über Macht empfinden, inkludiert Emanzipation und Repression zugleich. Unsere Vorstellung von Macht öffnet sich hin zu einem amorphen Begriff. Assoziieren wir Macht noch bis in die 1980er mit Gewalt, totalitärer Willkür und Unterdrückung – stark geprägt von Machiavellis ‚Il Principe’ oder von Canettis Anthropologie der Macht mordender Meuten – beginnen systemische Denker wie Luhmann und Foucault Macht zunehmend als komplexes Kommunikationsmedium, als diskursiv horizontales Beziehungsgeflecht zu analysieren. Schon Max Weber beschrieb in den frühen 1920er Jahren Macht als „soziologisch amorph“, als offene und formbare „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen“. Auch Canetti kennt den Unterschied von Gewalt und Herrschaft, sieht beide aber als veränderte Formen desselben: „Aus der Gewalt des Jägers wird die Macht des Hirten“, schreibt er, aus dem nackten Machtakt des Tötens das verkleidete Spiel des Verwaltens. Weil Macht aber immer ein Verhältnis ist, endet sie mit der archaischen Überwältigung des Anderen. Wo keine Kommunikation, kein Diskurs, kein Ringen die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen immer wieder aufs Neue verhandeln lässt, da existiert die bloße canettische Destruktivität. „Macht tötet nicht einfach nur, sondern vor allem“, so pointiert Byung-Chul Han sein Plädoyer für einen produktiveren Machtbegriff, „vor allem lässt sie leben“. Zwar existiere der autonome Entscheidungsspielraum zwischen Handlungsalternativen innerhalb komplexer Machtstrukturen oft nur als Schein, aber auch Macht selbst basiert immer nur auf dem Schein derer, die an sie glauben.

Die fruchtbaren Protestbewegungen, von den frühen Freiheitsfeldzügen des römischen Sklaven Spartakus, über den europäischen Völkerfrühling 1848 bis zur Antiatom- und Vietnamkriegs-Bewegung und den aktuellen „Revolutionen der Würde“ in Ankara, Teheran, Rio, Tunis oder Kairo zeigen, dass Macht immer eine Mehrheit braucht, deren Akzeptanz Voraussetzung für ihr Bestehen ist. Macht ist ein System des Dafürhaltens, das als Produkt sozial konstruierter Wirklichkeit nicht länger vertikal verknüpft wird; Macht ist (an)greifbar und offen formbar. Schon Hegel sprach von der willentlichen „Vereinigung der Einzelnen“, die Macht im Kern ausmache, realisiert nicht durch Gewalt und Kraft sondern durch „ihr Gelten im Bewusstsein“. „Was niemals aus den Gewehrläufen kommt, ist Macht“ formuliert den gleichen Gedanken rund 150 Jahre später Hannah Arendt. Innerhalb der Grenzwerte ‚Republik’ und ‚Totalitarismus’ sei wahre Macht immer die organisierte Pluralität des Handelns, ob im Konsens eines politischen Gemeinwesens oder als Bewegung einer in Bewegung gehaltenen Meute. Auch Foucault hebt den etymologischen Kern als Handlungsprädikat hervor, Macht existiere nur „in actu“, als Machen im Prozess. Dass die Demokratisierung von Macht aber erst in den Kinderschuhen steckt, beschreibt seine These vom Transformationsprozess: Die ‚kontrollierte Befreiung’, die sich seit dem 17. Jahrhundert fortentwickelt, bilde jenen Übergang vom einstigen System aus Gewalt und Herrschaft, innerhalb dessen man sich des Lebens der Untertanen durch die kontrollierte Abverlangung von Dienstleistungen und Güter bemächtigte, hin zu einer komplexen Synthese von Freiheit und Zwang, die durch ein dichtes System aus „Anreizung, Verstärkung, Kontrolle, Überwachung, Steigerung und Organisation“ intrinsische Motivation der unterworfenen Kräfte freizusetzen versuchte. „Anstatt sie zu hemmen und zu vernichten“ sei Macht nun dazu bestimmt, „Kräfte hervorzubringen und zu ordnen.“ Macht, so fasst er zusammen, „ist produktiv; und sie produziert Wirkliches“.

Dass Macht auch sich selbst produziert, ist eine Einsicht der jüngeren Machtforschung. Unter dem Schlagwort ‚Performanz der Macht’ erweitern eine ganze Reihe postmoderner DenkerInnen die verschiedenen Macht-Legitimationstypen, wie sie Weber in den 1920er Jahren unterschied: Macht ist nicht mehr nur der Glaube an die Vorbildlichkeit des charismatischen Führers, die Heiligkeit der Tradition oder die rationale Ordnung eines bürokratischen Rechtssystems, Macht ist Ergebnis von Sprechakten (Searle, Tänzler), Teil eines gesellschaftlichen Spektakels (Debord), verschleiert durch die Amüsements der Kulturindustrie (Horkheimer/Adorno) und, da sie ihre großen Legitimationserzählungen verloren haben, letztlich das instabile, stets potenziell kippende Produkt medialer Inszenierung (Baudrillard, Barthes). Macht wird heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, viel stärker mit Metaphern des Flüssigen und Prozesshaften als mit Körpern (Staatsgebäude, Führer, Maschine) verbunden.

In schnell wachsenden Marktwirtschaften wie Brasilien oder der Türkei zeigt sich genau dies: Die immer autoritätsskeptischer werdende Geisteshaltung junger, gebildeter und digital partizipierender Menschen führt zu einem Protest für mehr Freiheit und Demokratie, der nur mit dem gewaltsamen Einschreiten eines staatlichen Polizeiapparats bewältigt werden kann. Um autoritäre Macht aufrechtzuerhalten, bedarf es Unmengen an politischer, ökonomischer und kultureller Energien. Die Inszenierung von Macht einer klar abgegrenzten Führungsgilde hat ein natürliches Ablaufdatum; je opulenter sie inszeniert werden muss, desto offensichtlicher wird ihre Künstlichkeit. Zustimmung war immer schon die beste Voraussetzung jeder Macht. Und doch: Der Annahme eines natürlichen Ablaufdatums totalitärer Macht widerspricht eine existenziell gefühlte Ohnmacht, die gegenwärtig ebenso stark ausgeprägt ist wie der Wunsch nach Veränderung. Die ungeheure Machtsteigerung multinationaler Konzernverbände, die göttliche Überhöhung kapitalistischen Wirtschaftens, die Auswirkungen ökologischer Eingriffe und unübersichtliche Konfliktlagen nähren Opportunismus und Resignation.Ist es zu früh für Optimismus, obsiegt die anthropologisch konstante Sehnsucht nach Geborgenheit und Führung? Ist sie stärker als die dem Menschen gleichsam innewohnende Sehnsucht nach Autonomie, Würde und Freiheit?

Die foucaultsche Vorstellung von tief in den sedimentierten Grundlagen unserer Kultur verborgenen Herrschaftsstrukturen warnt vor einer Gegenwart, die trotz der realen Möglichkeiten der Selbstermächtigung, des Eingriffs und der Mitgestaltungen immer wieder die alten, klar führenden Pfade suchend vor Freiheit zurückschreckt.

Das einende Merkmal einer vielgestaltigen Genealogie der Macht, so Giogio Agamben, sei die Souveränität des ‚Homo Sacer’, des ‚heiligen’ oder ‚verfluchten’ Menschen. Das heurige Festival ist dem Glauben verschrieben, der aufrechterhält, was sonst unverändert bliebe, und viel mehr noch dem Widerspruch, der negiert, was bleibt, so lange es bejaht wird. Macht hoch zwei heißt: light the power - macht: Macht!

Dem sei das heurige Programm gewidmet - wir freuen uns mit euch!

Für das Programmteam, Christian D. Winkler

 

 

 

Eine Kooperation des Kulturzentrums bei den Minoriten mit dem Elevate-Festival und dem Büro für Text und Ton.
Künstlerische Leitung: Christian D. Winkler

Co-Kuration: Mag. (FH) Sebastian Erlach

Co-Kuration und Konzept: Dr. Birgit Pölzl

Künstlerische Assistenz: Birgit Schachner, BA; Lisa Dreier, MA




TICKETS und INFO

AK: Pay as you wish (AK am 24.10.: €12,-)
VVK: (inkl. Sitzplatzreservierung und Buffet)
Festivalpass €28,- / €18,-
Tagesticket €15,- / €8,50,-
Tagesticket am 24.10.: €10,-

Diskurs bei freiem Eintritt; Elevate-Tickets gültig für alle hoergeREDE Veranstaltungen. VVK über info@hoergerede.at oder unter: Tel.: +43 / 316 / 71 11 33 (DI - FR 9.00 - 17.00 Uhr).