Samstag, 26. Okt

Großer Minoritensaal - hoergeREDE 13
Text.Ton.Tag III

20:00 - 23:00

Eyal Bromberg & Andrea Gunnlaugsdóttir (SEAD Academy/is)Marko Dinic (at)Wolfwetz (at)

Fabian Faltin (at)Robert Prosser (at)

bulbul (at)FALKNER (at)



Der letzte Spieltag wartet mit vier weiteren Highlights des heurigen Festivalprogramms auf: Ein Tanzstück mit Glitch-Sounds und Cut-Up-Lyrik, eine Rauminstallation in streng barocker Tradition mit Spoken-Word und Fluxus-Einflüssen, exaltierter Avantgarde-Rock mit Textperformance und eine experimentelle Buchpräsentation von und mit: monochrom, die den Auftakt des letzten Spieltages gestalten. Günther Friesinger und Johannes Grenzfurthner, Mitgründer der famosen KünstlerInnengruppe monochrom, haben unlängst ein Buch mit dem Titel ‚Context Hacking: Some Examples of How to Mess with Art, the Media System, Law and the Market’ editiert, ein Sammelsurium anarchisch subtiler Interventionen im öffentlichen und halböffentlichen Raum, die die sozialen Codes der im Titel benannten Felder Medien, Gesetz, Markt und Kunst offen legen, zersplittern, unterwandern, in sie eingreifen und manipulieren, kurz: kontext-hacken. Was sich hinter diesem Terminus verbirgt und wie mit künstlerischen Strategien - der Narration, der Verfremdung, der Verzehrung, Verdichtung, Subversion oder Überhöhung (etc) - in bestehende kulturelle Bedeutungszuschreibungen interveniert werden kann, wie bestehende soziale Codes, Machtgefüge und -Strukturen ausgehöhlt, irritiert oder destabilisiert werden können, dem geht die eigens für das Festival ausgearbeitete Präsentation des Sammelbandes nach.
Der junge serbische Dichter Marko Dinic präsentiert ein multimediales Text.Ton.Stück, das gemeinsam mit den beiden SEAD-TänzerInnen Andrea Julia Gunnlaugsdottir (Island) und Eyal Bromberg (Israel) künstlerische Kongruenzen unterschiedlicher Formen erforscht. Gemeinsam mit den elektroakustischen Klangflächen des in Glitch-Kreisen hoch geschätzten Experimental-Musikers wolfwetz eröffnen sie ein Feld, das räumlich körperliche, textuelle und akustische Strukturen verwebt. Ihr Festivalbeitrag „attempt #2 : unison : feld“basiert auf einem Text von Marko Dinic, der sich sowohl inhaltlich als auch formal mit Machtstrukturen auseinandersetzt. Field Recordings, Collage und Cut-Up-Techniken, Gleichklang, Dissonanz und die unmittelbare Präsenz des Körperlichen sind die Basis für das konzeptuelle Feld, auf dem sich die TänzerInnen bewegen. Aufgenommene Wirklichkeitssplitter aus industriellen oder hegemonialen Räumen, in einzelne Laute aufgebrochene Sprachfragmente und Klänge aus dem Open-Source Fundus bilden den akustischen Ausgangspunkt für den Klangteppich, der als Ton mit Text und Tanz immer wieder ausgerollt, zerstückelt, versteckt und wieder hervorgerollt wird.
Die Intervention des letzten Spieltages stammt von der häufig für großes Aufhorchen sorgenden Beat- und Fluxus-Combo Faltin & Prosser, das sich aus dem Autor, Konzeptkünstler, Barockgärtner und Musiker Fabian Faltin und dem jungen Dichter, Essayisten und Text-Performer Robert Prosser zusammensetzt. Mit Schlagzeug, präparierten Küchengeräten, Stimmkraft und einer aufwändigen Videoinstallation nutzen sie die barocke Architektur des Minoritensaals für eine allegorische Reise durch Paradiesvorstellungen, Heilserwartungen, Machtfantasien und Ohnmachtsgefühlen, wie sie im Laufe der Zeit den Menschen beflügelten und lähmten. „Leitbild“, so heißt es in ihrem Konzeptentwurf, „ist der Apfel als Allegorie von Macht und Schwerkraft, Verführung und Selbstversorgung, Zucht und Wucher“.
Den Abschluss des diesjährigen Festivals bildet die Sound.Performance von der Autorin FALKNER gemeinsam mit der Avantgarde-Rockband bulbul. Beide sind bekannt für ihre außergewöhnlichen Live-Shows, FALKNER als Text- und Performancekünstlerin, bulbul als klassisch mit Gitarre, Bass und Schlagzeug besetzte, höchst ungewöhnliche, bizarre, subtile, unerwartete Sounds kreierende Rockband. Falkner, die seit 2005 mit Literatur- und Kunstprojekten aller Art, mit Performances, Installationen und Interventionen in (semi-)öffentlichen Räumen künstlerische Taktiken der Konfrontation durchdekliniert, verleiht der performativen Dimension von Sprache immer wieder neue, radikale Impulse. Besonderes Aufsehen erregt sich mit der Aktualisierung einer alten proklamatischen Textsorte, der Manifestverkündungen, die, stets von „utopischem Überschwang“, „anarchistischer Unschuld“ getragen, die essentielle theatralische Komponente des Aktes der Stellungnahme mit dem körperlich-materiellen Charakter von Texten verbindet. Der technisch perfekte Artrock, den die umtriebigen Jungs von bulbul auf subtile und wuchtige Weise aus ihren Instrumenten zaubern, sorgt im Rahmen der gemeinsamen Manifestverkündung „Manifest 41“ für unerwartete Wendungen der obskuren, rauen, immer einzigartigen Form. Das „utopisches Ausgreifen über die Wirklichkeit hinaus“, das immer auch mitgedacht wird, versucht letztlich das zu erschaffen, was als offenbarter Wille immerwährend vorantreibend aus der Ohnmacht, der Tragik, aus der gequälten Resignation hinausführt: eine immer fort gesponnene Imagination neuer Realität.