Vermählt man Clubmusik mit Kultur kommt Elevate raus. Neben den Schwerpunkten auf Live-Konzerten und Experimentelles finden sich in den Schlossbergstollen die vielfältigsten Blüten elektronischer Tanzmusik. Von hypnotischen Samba-Zitaten über amorph-polyrhythmischem Techno bis hinzu queerem Rap gibt es soviele Gründe zu tanzen, wie die Nacht 4/4-tel Takte hat.
Day Time-Open Air am Schlossberg – Zwei Jahrzehnte Techno-Kultur mit DJ Koze, Roman Flügel & Steffi
Mit drei der profiliertesten Techno-BotschafterInnen öffnet das Festival 2018 erstmals eine große Open-Air-Bühne am Schlossberg: Keine Geringeren als DJ Koze, Roman Flügel und Steffi verwandeln die Kasemattenbühne am Samstag in ein lichtdurchflutetes Epizentrum hedonistischer Techno-Kultur. Das bunte Treiben über den Dächern der Stadt entstand in enger Kooperation mit dem griechischen Reworks Festival, das 2018 zu Gast in Graz ist. Präsentiert wird die Bühne von Red Bull Music. Den Auftakt der Day-Time-Disko macht die niederländische Produzentin Steffi, die seit 2007 in Berlin als Resident der Panorama Bar samt gefeierter Alben auf dem Berghain-Label Ostgut Ton düsteren Underground-Techno mit farbenfrohem House vereint. Roman Flügel, seit den 90ern aktiver Produzent, Live-Act, DJ und Label-Betreiber, dürfte vielen noch als Teil des Duos Alter Ego bekannt sein, das für einige der vibrierendsten Club-Hits der 00er-Jahre sorgte. Auch als Solomusiker mit mehreren Alben und Releases auf Labels wie Cocoon, Playhouse und Dial sowie mit seinem Mix der aktuellsten Fabric-Compilation prägt er seit mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten die Diskurse der Nacht. Am Elevate bespielt er die Freiluftbühne nach einem nicht minder bekannten Mittler zwischen den Welten: DJ Koze, wohl eine der schillerndsten Figuren von Techno und House, selbstironischer Paradiesvogel aus dem Biotop des Hamburger Pudel Clubs, Brückenbauer zwischen Hiphop, Schlager, Minimal-Techno, Diskurspop und dem Kompakt-Universum. Er spielt ein mehrstündiges Set, das den von SPEX und Co mehrmals zum DJ des Jahres gewählten Wahlhamburger von seinen heiter-optimistischen, zuckersüßen und dann wieder furios-tanzbaren Seiten zeigt. Wer diese Bühne nicht mit einem Lächeln auf den Lippen verlässt, war nicht dort.
LGBT-Hiphop aus New York, Cloudrap und polyrhythmischer Techno – Die Freitagnacht auf zwei Floors
Die Freitagnacht steht in der Elevate-Stammlocation Dom im Berg ganz im Zeichen von Hiphop, Beats und Cloudrap. Aus dem sonnigen Kalifornien eingeflogen wird der ursprünglich aus Korea stammende Künstler Nosaj Thing. Als Produzent von Hiphop-Kapazundern wie Kendrick Lamar und Busdriver einem breiteren Publikum bekannt, kommt er mit einer Laser-Show nach Graz, die zu hoch-avanciertem Club-Sound, weitflächigen Bässen und grellen Hiphop-Cuts eine Art temporäre Skulptur aus Licht und Nebel schafft. Ebenfalls aus den Staaten – aus Brooklyn – kommt der junge Shooting-Star Cakes da Killa, der in Busta-Rhymes-Geschwindigkeit rappend seit 2015 gemeinsam mit Mykki Blanco, Le1f und Zebra Katz den fingernagelbunten Glanz einer queeren Avantgarde in den US-Hiphop zaubert. Weiters auf der Bühne: Der von Flying Lotus protegierte Newcomer Iglooghost, der Wiener Cloudrap-Innovator Wandl mit seinen melancholisch wuchtigen Basswänden und die US-amerikanische Musikerin Sofie, die als Mitglied von Boiler Room und der Wiener Akademischen Philharmonie Club mit Klassik verbindet. Auf der Second Stage, dem Tunnel, steht Acid, Techno und Wave im Zentrum. Zum ersten Mal in Österreich etwa treten der Resident des New Yorker Clubs The Bunker Mike Servito sowie Emma Olson aka Umfang auf, die als Co-Gründerin des Discwoman-Kollektivs mit amorphem, polyrhythmischem Techno gegen die Vormacht männlicher Musiker in der zeitgenössischen Clubkultur ankämpft. Auf die detailverliebten, eruptiven Sound-Designs des jungen, in Berlin lebenden Produzenten Objekt darf man sich ebenfalls freuen. Mit seinen brüchigen Beats unterwandert der technisch extrem flinke DJ seit einiger Zeit allerhand Techno-Konventionen, ohne dabei auf einen gut tanzbaren Mix aus EBM, Acid House & Electro zu verzichten. Eröffnet wird die Bühne von der Wiener Veranstalterin und DJ Misonica mit ihrer Mischung aus psychedelischen Krautrock-Rhythmen und industriellem Techno. Als Teil von FEMDEX erhebt sie das Geschlechterverhältnis in den Line-ups Wiener Clubreihen.
Die finale Club-Nacht am Samstag: Bedingungslose Party-Euphorie, Ghetto-House und Industrial auf drei Bühnen im Dom im Berg
Wer sich nach dem Techno-Gipfeltreffen auf der samstäglichen Open-Air-Stage aufwärmen will, der kommt von der Spitze des Schlossbergs nach nur wenigen Gehminuten in die wärmenden Gemäuer des Dom im Berg-Stollens. Dorthin lockt die Numbers Label-Night. Das legendäre Label, das Künstler wie Jamie xx, Hudson Mohawke und Rustie berühmt gemacht hat, beeinflusst seit 2003 von Glasgow aus mit psycho-exotischer Magie und bedingungsloser Party-Euphorie die Welt der Bass-Musik. Kopf der Bande ist Labelgründer Jack Revill aka Jackmaster, Weltranglisten-Zweiter der gefragtesten DJs laut Resident Advisor. Und tatsächlich: Der Schotte ist mit seinen eklektischen Sets so omnipräsent auf den Bühnen dieser Welt, dass nicht nur seinem Label, sondern auch ihm ein ganzer Schwall an Legenden vorauseilt. Neben ihm vor Ort ist auch die Musikerin Willow aus Manchester, deren von Move D stark gepushtes Debüt Feel Me 2015 entscheidende Impulse an der perlend dubbigen Schnittstelle von Hiphop, Ambient Techno und Left-Field lieferte. Die sphärischen Tracks des römischen Techno-Pioniers Marco Passarani – bestens bekannt als eine Hälfte des Disco-Duos Tiger & Woods – dürfen in solch einem bunt-hedonistischen Kontext ebenfalls nicht fehlen. Auch Teil der Label-Night ist Errorsmith, der sein erstes Album nach 13 Jahren mit im Gepäck hat. Hochenergetische Samba-Zitate treffen hier auf wilde Synthie-Drones, die wie ein computeranimierter Wellenritt Spektraltöne rauf und runter reiten. Der Berliner Club-Veteran Erik Wiegand – so der bürgerliche Name von Errorsmith – experimentiert tatsächlich seit Jahren mit Kompositionsprinzipien, die in Anlehnung an die Musique spectrale durch Modifikationen der Klangfarbe des gesamten Tonspektrums zustandekommen – live im Club ein seltenes, umso körperlicheres Hörerlebnis.
Aus den USA kommt niemand Geringerer als das US-Urgestein DJ Deeon, der rund um das Label Dancemania im Chicago der 90er mit samplereichen, verspielt rohen Tracks House mit der Hiphop-Kultur versöhnt hat. Beim Elevate findet man ihn am Samstag in der Tunnel-Stage, die ganz dem von ihm entscheidend geprägten Crossover-Genre Ghetto-House gewidmet ist. Begleitet wird er von Teklife-Member DJ Taye, der sein im Februar auf Hyperdub erscheinendes neuestes Rap-Footwork-Album präsentiert. Auch an Bord ist die stark von Kuduro-Rhythmen beeinflusste Portugiesin Nídia, deren letztes Album Nídia é Má, Nídia é Fudida so unterschiedliche Musikmagazine wie The Wire, Pitchfork und The Quietus gleichermaßen euphorisch rezensierten.
Put on your dancing shoes!