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Elevate Experimental-Guide

Shilla Strelka's Guide zum diesjährigen Experimental-Musikprogramm des Elevate Festivals 2019.

Alternate Realities / Alternate Spaces (Eröffnung & Freitagabend)

Die Arbeit der Elektronikerin und Experimental-Vokalistin Stine Janvin lädt sich an der Dualität von Virtualität und Realität auf. Mit Hilfe digitaler Tools transformiert sie ihre Stimme in abstraktes Klangmaterial. Die außerirdischen Frequenzen, die sie ansteuert, sind zugleich schrill wie anmutig, enigmatisch und irritierend. Für ihre psychoakustische A/V-Performance „Fake Synthetic Music“ arbeitet Janvin mit Lichtimpulsen und diffundiert ihre Cyborg-Choräle im Raum. Ähnlich wie die norwegische Künstlerin befasst sich auch der Künstler Robin Fox mit synthetischen Klängen und virtuellen Räumen. In seiner AV-Show „Single Origin“ generiert er mithilfe von Laserprojektionen einen immersiven 3D-Raum, den er mit noisigen Klangflächen und kargen, elektronischen Impulsen synchronisiert. Fox schließt akustischen und visuellen Sinn kurz und triggert eine intensive, synästhetische Erfahrung. Auch Lee Gamble arbeitet mit zugespitzten Realitäten. Für das Elevate Festival transformiert er erstmals den hypermodernen Clubsound seines neuen Albums „In A Paraventral Scale“ (Hyperdub) via Ambisonics zu einem Surround-Sound-Spektakel im Dom im Berg. Der in Graz ansässige Musiker, Komponist und Betreiber von GOD Records Slobodan Kajkyt befragt das Verhältnis von Raum und Klang in einer streng minimalistischen Anordnung: In der Eröffnungsnacht präsentiert er erstmals seinen Release „III“ und komponiert in einer erweiterten Installation und Live-Performance Licht und Klang zueinander.

Frederikke Hoffmeier ist eine der ProtagonistInnen der Post-Industrial-Szene. Als Puce Mary konfrontiert sie uns mit geladenem Noise von zähneknirschender Wucht und infiltriert dabei auch die subversiven Strategien von Power Electronics. Im Umfeld des dänischen Labels Posh Isolation sozialisiert, formuliert sie mit ihrem kürzlich erschienenen Release „Red Desert“ (PAN) ihre Sprache weiter aus. Die abgründigen Klangflächen ihres effektierten Synth und die stur scheppernden Beats ihres Drumcomputers reiben sich an den intimen Spoken-Word-Passagen der Musikerin. Dabei falten sich unheimliche Szenarien aus, die in den Tiefen unseres Unterbewusstseins nachhallen.

Sonic Fictions, Trance

Die Bühne im Dungeon widmet sich dieses Jahr minimalistischen Modulationen und abenteuerlichen Klang-Experimenten. Den Anfang macht der französische Klangforscher, Autor und Leiter der renommierten Institution INA GRM François Bonnet. Die abstrakten Klangwelten, die er als Kassel Jaeger aufzieht, sind introspektiv, feinteilig und sphärisch und durchzogen von im Zerfall begriffenen Melodien. So entstehen Klanggedichte, die unsere Imagination aktivieren. Mit Kollaborateuren wie Jim O’Rourke und Oren Ambarchi tritt Bonnet auch vermehrt im Improvisationskontext auf. Auch das Trio Mopcut setzt sich aus Musikern der Impro-Szene zusammen. Allerdings setzen diese statt auf subtile Elektronik auf die klangliche Wucht und ekstatische Energie des Free Jazz. Die drei Ausnahmemusiker Lukas König, Julien Desprez und Audrey Chen vollziehen ihr Spiel aus extremer Kontraktion und ungezügelten Outbursts mit unwahrscheinlicher Vehemenz – ein Höllenritt, der John Zorn Freude bereiten würde. Zwischen Gitarre, Synths und Drums offenbart uns die Vokalkünstlerin Chen den außergewöhnlichen Facettenreichtum der menschlichen Stimme, bis diese molekular wird. Keith Fullerton Whitman genießt unter Eingeschworenen Kultstatus. Der US-amerikanische Musiker baut modulare Loops, die er zu sphärischen Drones zerfließen lässt oder in funkelnde Texturen auffächert. Dabei wendet er die Trance-induzierenden Kompositionsprinzipien des frühen Minimalismus an und legt den Fokus auf Timbres, Texturen und die Materialität des Klanges selbst. Auch die Musikerin und Komponistin Astrid Sonne orientiert sich an VertreterInnen des Early Minimalism. Sie verwebt helle, pointilistische Klänge zu fluoreszierenden Sci-Fi-Landschaften. Klangquelle ist ihre effektierte Viola, deren Klänge flickern und glitzern und dennoch ein Eigenleben zu führen scheinen. Eben diesem Eigenleben auf die Spur kommen möchte die Musikerin und Hardware-Hackerin Ewa Justka. Sie filtert aus ihrem modularen Synth rohe Signale, die sie stur durchdekliniert und mit gleichermaßen kompromisslosen Beats und skelettierten Acid-Lines kombiniert. Das Ergebnis ist Techno, Wahrnehmungsexperiment und Klangforschung und erzählt nicht zuletzt von der Faszination an der Maschine. Gerahmt wird das Line-up von einem DJ-Set der Elevate-Co-Kuratorin Shilla Strelka, die als Inou Ki Endo den Bogen von experimenteller Elektronik zu hartem Techno spannt.

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