„The Truth is out there.“
― FBI Special Agent Fox William Mulder
Auf die Suche nach Extraterrestrischem macht sich Elevate zwar nicht, aber Mulder hat Recht: Die Wahrheit ist da draußen, und im Diskursprogramm des Festivals gibt es viel zu entdecken, denn die Themen sind vielschichtig und vor allem einer intensiven Auseinandersetzung wert.
Die Eröffnung im Grazer Orpheum am Mittwoch Abend stellt AktivistInnen in den Mittelpunkt, die sich im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit für wichtige Themen gesellschaftspolitisch engagieren. Stargast des diesjährigen Festivals ist Pamela Anderson, Schauspielerin und Model mit einem enormen globalen Bekanntheitsgrad. Manche wissen es, Vielen ist es jedoch neu: Pamela Anderson, seit Jahren als Tierrechtsaktivistin bekannt, setzt sich seit längerem auch für andere Themen als Aktivistin ein und erreicht damit recht große Aufmerksamkeit. Kürzlich kritisierte sie die politische Entwicklung in Italien und legte sich mit dem rechtsaußen-Innenminister Salvini an; sie kommentierte die Gelbwesten Proteste in Frankreich sehr treffend und kommuniziert regelmäßig Themen wie die Klimakrise oder Migration via Social Media. Sie nutzt ihren Promi-Status geschickt und erreicht so eine große Öffentlichkeit. Der kroatische Philosoph Srećko Horvat wiederum, ist als Mitbgründer der DiEM25 Bewegung europapolitisch sehr aktiv und wird am Festival über Philosophie, Wahrheit und Aktivismus sprechen. Ein ARTE Team wird Pamela und Srećko „durch die Nacht“ in Graz begleiten. Nnimmo Bassey aus Nigeria, Träger des Alternativen Nobelpreises "Right Livelihood Award", setzt sich seit Jahren für Umweltschutz und gegen den Klimawandel ein und wird am Elevate Festival über die Entwicklungen der letzten Jahre und die Afrikanische Perspektive sprechen: Kann es noch gelingen die Klimakrise abzuwenden?
Philosophie, Medien und Journalismus eröffnen am Elevate Donnerstag den diskursiven Reigen. Univ.-Prof. Dr. Peter Strasser macht sich im Rahmen seines Einstiegsvortrages ab 12 Uhr Mittag auf die Suche nach der Wahrheit nach der Wahrheit nach der Wahrheit… Im Anschluss geben Julia Herrnböck und Florian Skrabal von Dossier.at tiefe Einblicke in die Methoden und Möglichkeiten des Investigativjournalismus und ergründen die Potentiale internationaler Recherchekooperationen mit der slowenischen Korruptionsaufdeckerin Anuška Delić, die auch im Rahmen einer Q&A zur Österreichpremiere des Dokumentarfilms „The Panama Papers“ Fragen zum Thema beantworten wird können. Fragen rund um das Thema Medien, Journalismus und Vertrauen werden im Rahmen einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde beleuchtet. Abends geht es dann wieder zurück zum Anfang des Tages und somit zur Philosophie. Der kroatische Philosoph und DiEM25 Mitbegründer Srećko Horvat betitelt seinen Vortrag mit „The Truth Will Set You Free?“, wohlgemerkt mit Fragezeichen.
Im Kunsthaus Space04 gibt es indes eine Neuauflage der Kooperation von Elevate mit der Vertretung der EU Kommission in Wien. Eine Diskussionsrunde zu einem aktuellen Thema der EU Politik: „Fake News und Desinformationskampagnen“ und deren Einfluss auf die politischen Meinungsbildungsprozesse. Kurz vor den EU Wahlen ist das sehr aktuell und geplante Maßnahmen der EU Kommission werden in diesem offenen Forum auch kritisch diskutiert.
Im Freitagsprogramm stehen Themen wie Wissenschaft, Kunst, Technologie, Fiktion und Immersion im Vordergrund. Eine Reihe von Vorträgen setzt sich einerseits kritisch mit Technologien und wissenschaftlichen Entwicklungen auseinander, andererseits werden die Potentiale und Zusammenhänge unterschiedlicher Methoden diskutiert. Die Vortragenden und DiskutantInnen sind besonders bunt zusammengewürfelt, und somit steht einem inspirierenden und interdisziplinären Austausch zwischen KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, AktivistInnen und Nerds nur die zeitliche Limitierung des Programms entgegen. Von 10 Uhr am Vormittag (Workshops mit Xenia Ermoshina bzw. InterACT – Werkstatt für Theater und Soziokultur) bis zum Ende des Dokumentarfilms „Trust Machine“ um ca. 23 Uhr, spannt sich ein dichtes Programm mit 10 Veranstaltungen.
Am Elevate Samstag schlägt das programmatische Pendel dann wieder in die andere Richtung. Zwei auf Selbstermächtigung fokussierte Workshops zu den Themen Demokratie und Community Building bieten einen positiven Einstieg zum Tag, an dem es später ein paar harte Nüsse zu knacken gilt. Rechtsextreme Strukturen in Österreich und deren Vernetzung zu einer „Internationalen der Nationalen“ stehen im Fokus des am DÖW arbeitenden Experten seines Faches, Andreas Peham. Wie schnell aus Rechtsextremismus Rechtsterrorismus werden kann und wie es um die Wahrheit bei den Ermittlungen zur schlimmsten Terrorismus-Serie des 21. Jahrhunderts in Deutschland steht, berichtet im Anschluss einer der am best-informiertesten Experten zum NSU Komplex, Thomas Moser. Begriffliche und historische Klarstellungen zu einem Kampfbegriff der psychologischen Kriegsführung folgen dann vom Autor und Journalisten Mathias Bröckers. Verschwörungstheorien sind nicht nur ein Problem im Rechtsextremismus, sondern gesellschaftlich mittlerweile viel breiter aufgestellt. In einer auf diesen Vortrag folgenden Fishbowl-Diskussion geht es um Mittel und Wege um dem Rechtsextremismus den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch damit nicht genug: Es folgen noch zwei abendliche Podiumsdiskussionen, hochkarätig und potentiell kontrovers besetzt mit renommierten Persönlichkeiten. Vom Geheimdienst-Forscher der Uni Graz, Siegfried Beer, dem aufstrebenden deutschen Philosophen Jan Skudlarek, Korruptionsbekämpfungsveteran Peter Pilz, Filmemacher Paul Poet, bis hin zur Soziologin Laura Wiesböck von der Uni Wien: Die Themen reichen von den Echo Chambers der Kommunikation bis hin zur Geheimniskrämerei und dem verdächtigen Schreddern der Akten von Geheimdiensten zur Bewahrung der „Nationalen Sicherheit“.
Der Sonntag widmet sich dann unter anderem dem eingangs erwähnten Endgegner: Die Klimakrise und deren für viele Menschen jetzt schon schwerwiegende Folgen, die sich in kriegerischen Auseinandersetzungen manifestieren und Fluchtbewegungen auslösen können. Los geht es wie immer bereits am Vormittag mit einem Workshop mit dem nigerianischen Umweltaktivisten Nnimmo Bassey. Thematisch nicht verwandt, aber umso spannender gestaltet sich der zweite Workshop am Sonntag: Gemeinsam mit Wikimedia Österreich präsentiert Elevate eine Session zu einem relativ neuen Projekt aus dem Wikiversum: WikiData. Am Nachmittag gibt es dann noch vier weitere Veranstaltungen rund um das Thema Klimakrise und Flucht. Den Anfang macht eine Diskussionsrunde über Klimawahrheiten und Klimalügen, die im Gegensatz zur historisch vorhandenen Parallele der Fakten-Zweifel-Meinungs-Manipulation durch Tabakkonzerne in den 1970er und 1980er Jahren viel schwerwiegendere Folgen haben dürfte. Die Professorin für Internationale Politik, Amanda Machin, forscht zur Politik des Klimas, der ausgewiesene Klima-Experte Gottfried Kirchengast leitet das Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel, Klimageograf Mathis Hampel forscht zur Wechselwirkung zwischen Klimawissenschaft und Klimapolitik und Mira Kapfinger ist Aktivistin bei System Change not Climate Change. Roxana Baldrich ist im Team Internationale Klimapolitik bei der NGO Germanwatch und arbeitet u.a. an den Themen klimabedingter Migration, Vertreibung und Klimaklagen. Sie diskutiert mit Nnimmo Bassey über Klimawandel als Fluchtgrund. Die Grazer Menschenrechtsaktivistin Doro Blancke spricht wiederum über die Realität der verschärften Bedingungen im österreichischen Asylsystem.
Viele Themen also in insgesamt mehr als 30 Veranstaltungen des Elevate Diskursprogramms, das übrigens ausnahmsweise schon am Montag, dem 25.2. mit einer Weltpremiere des Dokumentarfilms „Die Mission der Lifeline“ im Schubertkino die Elevate Woche eindrucksvoll einleiten wird.
Viel Substanz und intellektuelle Auseinandersetzung im Programm, viel Inspiration, spannende Begegnungen und vor allem auch Bewusstseinserweiterung – mit dem erweiterten Kunstprogramm und einem überwältigendem Musik-Lineup - im Free Space der Elevate Festival Experience gelingt das ganz sicher.