Abseits eines umkämpften Spannungsfeldes zwischen Lügenpresse, Expertenmeinung und dem Willen zu vertrauen kann man sich im Rahmen dieses überbordend qualitativen Live-Musikprogramms sowohl als Wolf als auch als Schaf endlich mal wieder zurücklehnen und genießen, ohne sich darüber Sorgen machen zu müssen, ob das, was man da jetzt wahrnimmt, überhaupt stimmt. Hier wird nichts gebracht außer der Wahrheit, der ganzen Wahrheit und nichts als der Wahrheit, kreiert von den besten Illuminaten, die man für Kulturgeld kaufen kann – wenn schon subjektiv, dann richtig objektiv subjektiv. Die faktische Geilheit des Musikprogramms lässt sich hiermit am Beispiel von Johann Sebastian Bach (seines Zeichens ein klarer Truth-Seeker) auch numerologisch belegen. Die Buchstaben B-A-C-H stehen nämlich im Alphabet an zweiter, erster, dritter und achter Stelle. Addiert man diese Zahlen, so ergibt das Vierzehn. Vierzehn plus Eins ergibt? Richtig! Fünfzehn! Das fünfzehnte Elevate ist also undeniably geil und hiermit sogar blessed by the great Bach plus Eins himself. Das Erbe ist intakt. Unwiderlegbar.
THE STRIGGLE IS REAL
Besagter Reigen eröffnet wird am Mittwoch im Orpheum Extra von niemand Geringerem als dem großartigen Queerkünstler und Saxophon-Virtuosen BENDIK GISKE, welcher nur mit Zungenblatt, Stimme und eisernem Willen einer inzwischen wohlstimulierten Meute sein Idiom akustischer Avant-Clubmusik aus Atem, Haut und Stahl darbieten wird, während er anmutig vom Hauptraum nach oben ins Orpheum Extra stolziert. Dort folgen STROBLAZILLA. Der fulminante Dreier um Edda Strobl, Renate Oblak und Performer Klaus Meßner ebnet mit seiner unprätentiösen, aber dampfhämmernden Mischkulanz aus Pop, Wave und Dystopie den Weg für weitere Prachtbauten – obwohl Graz, extrem New York. Ein bis dahin schon ästhetisch exorbitanter Abend gipfelt schließlich in einer exklusiven Performance von THE STRIGGLES. Selten wird einer Band dann so viel so egal gewesen sein, und zwar im besten Sinne. Sie haben sich noch nie darum gekümmert, was man von ihnen erwartet, ob die Stücke live so klingen wie auf Platte, oder ob man das Hemd jetzt reinsteckt oder nicht. Sicher ist nur: Ein neues Album wird präsentiert. Ob uns das Ding so aus den Schuhen haut wie alle vorangegangenen Veröffentlichungen? Lässt sich wohl kaum vermeiden.
BELEBTE GRÄBER UND EIN FORUM FÜR ALLE
Vom Geheimtipp zum Muss hat sich der Festival-Donnerstag gemausert. Auch diesmal wieder hochkarätigst bestückt, verspricht das in Insiderkreisen als Insider-Programm titulierte Line-up in den heiligen Hallen des Grazer Mausoleums einen ballistisch ausgezeichneten Wurf und Volltreffer ins Auge des guten Geschmacks (der Arme!). Angefangen bei der Pianistin und Tastenvirtuosin KELLY MORAN, deren Impro-basierte Sets am präparierten Klavier KritikerInnen und anderweitig Begeisterte weltweit haben aufhorchen lassen, über die Spektral-Sopranistin STINE JANVIN, deren musikalisches Konzept sonorer Entmenschlichung und antonymischer Dualitäten sich auf allen Brettern, die die Welt bedeuten, zu Hause fühlt, bis zu Multi-Instrumentalist, Ex-EFTERKLANG-Indie-Legende und Klavierschamane PETER BRODERICK, der mit viel Feingefühl, Stärke im Schwäche-Zeigen und einem Haufen objektiv schönen Liedguts den letzten Resten eines inzwischen noch nicht total emotional abgeholten Publikums wohlwollend den goldenen seelischen Schuss versetzt – großes Kopfkino. Wieder mal total anders, irgendwie ähnlich und trotzdem wie immer einzigartig trägt es sich (leider) parallel im Forum Stadtpark zu, wo im Anschluss an eine DUNKELKAMMER mit dem legendären Grazer Schlagzeuger MARTIN CATTA eine herzhaft festive Ausgabe des GIK-GRAZER IMPRO KLUB mit der dänischen Saxophon-Ikone LOTTE ANKER als dramaturgisches Kernstück des Abends fungieren wird. Der GIK, welcher sich als äußerst offenes Improvisationsformat normalerweise immer am letzten Montag des Monats im Keller unseres geliebten Forum Stadtpark zuträgt, wartet in der ersten Hälfte dieser Spezialausgabe mit einem vorkuratierten Line-up auf, das sich so manches Spezialistenfestival wohl gerne auf die Fahnen schreiben würde. Die zweite Hälfte bleibt, wie es in der Natur der Dinge liegt, offen, und das ist auch gut so. Für alle eben.
POST-INDUSTRIELLE MONOLITHEN UND DARF DAF DAS?
Das Wochenende im Orpheum ist, wie es sich gehört, gespickt mit Klassikern. Eingeleitet wird dieser Abend im Zeichen der dröhnenden Katharsis mit einem sprichwörtlichen (ja!) Laser-Konzert von ROBIN FOX. Die beeindruckenden Installationen und Performances des australischen AV-Gurus wurden bereits bei unzähligen namhaften Festivals in aller Welt aufgeführt und in über fünfzig (!) Städte exportiert. Klingt so unglaublich, dass man sich am besten selbst überzeugt – stimmt aber alles. Als Draufgabe danach folgt die dänische Experimentalmusikerin Frederikke Hoffmeier aka PUCE MARY, deren abstrakte Soundgebilde zwischen Lied, Hörspiel und Post-Industrial-Harsh-Noise man erstmal aushalten können muss. Ist es zu hart, ist man zu schwach – da hat sogar die Pharmakon Angst. Beschlossen und abgerundet wird der donnernde Reigen am Freitag im Orpheum von niemand Geringerem als der Drone-Legende SUNN O))). Dass man immer noch eins weniger machen kann, um in Konsequenz eins härter zu sein als alle anderen, beweist das sich ständig verändernde Konglomerat um die Kernmitglieder Stephen O’Malley und Greg Anderson erfolgreich bereits seit 1999. Monumental, monolithisch, kosmisch. Erfüllt von Dunkelheit, Klaustrophobie und dem beunruhigenden Fauchen der Ungewissheit präsentiert sich parallel zu alldem im Orpheum Extra die installativ-begehbare Release-Performance zur aktuellen Platte des Graz-basierten Komponisten, God-Records-Labelbetreibers und Striggles-Drummers Slobodan Kajkut aka KAJKYT. Check it out and be scared!
Das Grand Finale des diesjährigen 15. Elevate bestreitet am Tag des Herrn schließlich die deutsche Institution DAF, die von Kennern als niemand Geringerer als die Paten des Techno und EBM bezeichnet und gehandhabt werden und deren musikalischer Nachlass eigene Genres und unzählige Nacheiferer hervorgebracht hat. Ikonoklastisch fantastisch. Darf DAF das? – DEFINITELY! Unterstützt wird diese Freundschaft von unseren einst stadteigenen No-Wave-Lieblingen LADY LYNCH. Mehr Integrität verträgt auch das beste Rückgrat nicht. Wir sind stolz.